Cadence Jones ermittelt: Drei sind zwei zu viel (German Edition)
ganz persönliches Mordrevier missbraucht hatten. Opus, der Dritte des infernalischen Trios, war von Michaela erschossen worden. Die beiden hatten ihren geistig leicht zurückgebliebenen Bruder dem sicheren Tod überlassen, während sie selbst ihre wertlose Haut durch Flucht retteten. Sie standen ganz oben auf der FBI -Liste der meistgesuchten Verbrecher, nämlich auf Platz eins und zwei.
Und natürlich auf meiner Liste.
Sicher, auch ich verbrachte einen Großteil meiner Zeit damit, wütend auf Adrienne und Cadence zu sein.
Aber ich würde meine Schwestern niemals im Stich lassen.
Dabei fiel mir sonderbarerweise Dr. Gallo ein. Ich hatte ja mitbekommen, was er Cadence erzählt hatte. Ich konnte die Wut nachvollziehen, die er mühsam im Zaum hielt. Und ich will nicht verhehlen, dass mich das noch neugieriger machte. Der neue Arzt in unserer Stadt hatte etwas Verlockendes: Der Gradmesser für seine Befindlichkeit schien stets kurz vor dem Überkochen zu stehen. Hmmm. Es würde bestimmt interessant sein, ihm dabei zuzusehen, wenn er sich wirklich einmal gehen ließ, wenn er …
Schäm dich, Shiro. Denkst an einen Mann, wenn Arbeit auf dich wartet. Also: Schluss mit verworrenen Träumen über Dr. Max Gallo. Zurück an die Arbeit.
Toller Name übrigens. Max Gallo. Wie ein Held aus einem Ian-Fleming-Roman.
Ich nahm den Brief behutsam in beide Hände und tastete ihn ab: keine Beulen, die auf eine Batterieuhr hindeuteten. Ich konnte auch keine Magnesiumspäne ertasten. Dann erst bemerkte ich Agent Thyme. »Guten Morgen.« Es war doch Morgen, oder? »Schön, Sie wiederzusehen.«
»Boah«, machte George. Dann zu Thyme: »Sie gibt sich nie groß mit Smalltalk ab.«
»Sie schulden mir Geld.«
»Siehst du?«, rief er triumphierend und deutete auf mich.
Emma Jan bedachte mich mit einem finsteren Blick. »Wer zwei von drei trifft, haben Sie gesagt. Wir tragen’s am Schießstand aus, haben Sie gesagt.«
»Und das werden wir auch.« Ich befühlte die Kanten des Umschlags. Immer noch nichts Verdächtiges. »Danach werden Sie mir noch mehr schulden. Keine Sorge. Ich nehme auch Barschecks.«
»Cadence hat geglaubt, dass die Mörder ihr diesen Brief geschickt haben?« Emma Jan blickte von mir zu George und dann wieder zurück zu mir. Sie war viel mehr an meiner Post als an ihren Schulden interessiert. »Und deshalb ist sie … verschwunden?«
»Aber zum Glück ist ja Shiro zum Vorschein gekommen, um die Situation zu retten.« Er verdrehte die Augen.
»Woher wissen Sie denn, dass sie jetzt Shiro ist?«
»Shiro hält sich sehr gerade und neigt zu einer knappen Sprechweise. Außerdem benutzt sie nicht annähernd so viele Kürzel. Cadence hingegen steht ewig krumm da, als wollte sie sich in ihrer eigenen Haut verstecken. Was vermutlich auch der Zweck der Übung ist.«
»Das war für deine Verhältnisse ja geradezu tiefsinnig«, lobte ich. Genau diese Eigenschaften erschwerten es mir, George als dämlichen Soziopathen abzustempeln. Mir wäre es fast lieber, wenn er ein hundertprozentiger Arsch wäre, und zwar ständig.
»Verrat es keinem.«
»Sie wollen den Brief doch nicht etwa öffnen?«, protestierte Thyme, weil ich bereits am Umschlag nestelte.
»Es ist sehr wahrscheinlich, dass ich ihn ohne Gefahr aufmachen kann. Dieser Umschlag ist viel zu klein und schmal für jede Art von Sprengstoff. C-4 passt nun mal nicht auf Papier. Und jede Sendung, die in dieses Gebäude gelangt, wird routinemäßig durchleuchtet. Vielleicht erinnern Sie sich, dass die Post seit der Anthrax-Bedrohung sämtliche Sendungen an Regierungsbehörden bestrahlt. Außerdem sind diese Leute intelligent. Sie haben bestimmt weder DNA noch Fingerabdrücke hinterlassen. Die würden nicht den Fehler begehen, den Umschlag anzulecken oder den Brief aus einer Stadt zu schicken, die ganz in ihrer Nähe liegt. Sie nutzen vermutlich einen Postdienst. Wir würden ohnehin nichts finden. Was sie uns geschrieben haben, könnte jedoch überaus wichtig sein.«
»Mit anderen Worten«, setzte George grinsend fort, »sie weiß, sie sollte nicht, aber sie wird’s trotzdem tun.« Seine grünen Augen funkelten vor Vergnügen. George liebte das Chaos, besonders, wenn sich jemand anders hineinbegab. »Und ab dafür, Ladies! Jie-haa!«
»Gut ausgedrückt.«
»Kann ich deine Waffe haben, nachdem Michaela dich gefeuert hat?«
»Halt die Klappe.« Vorsichtig schlitzte ich den Umschlag auf und zog ein einzelnes Blatt heraus.
Liebe Cadence, Shiro und Adrienne,
ihr fehlt uns
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