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Cäsar Birotteau (German Edition)

Cäsar Birotteau (German Edition)

Titel: Cäsar Birotteau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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mich und meine ganze Familie hierdurch in Ihrer Erinnerung erhalte! Wenn Sie die Madonna sehen, sollen Sie sich sagen: ,Es gibt gute Menschen, die an mich denken!‘«
    »Ich nehme das Geschenk an!«
    Popinot und Birotteau trockneten sich die Augen, so gerührt waren sie durch den gütigen Ton, den der Gelehrte in seine Worte legte.
    »Wollen Sie Ihrer Güte die Krone aufsetzen?« fragte Birotteau.
    »Womit?«
    »Ich habe einige Freunde gebeten«, er wippte sich in die Höhe, behielt aber trotzdem seine ergebene Miene bei, »um die Räumung unseres Gebietes von den fremden Truppen zu feiern, und auch wegen meiner Ernennung zum Ritter der Ehrenlegion...«
    »Ah!« sagte Vauquelin erstaunt.
    »Vielleicht habe ich mich dieser allerhöchsten königlichen Auszeichnung würdig gemacht, als ich Handelsrichter war und weil ich auf den Stufen von Saint-Roch gekämpft habe, am 13. Vendémiaire, wobei ich von Napoleon verwundet worden bin ... Meine Frau gibt Sonntag in drei Wochen einen Ball. Darf ich Sie dazu einladen, Herr Professor? Erzeigen Sie uns die Ehre, an dem Tage bei uns zu Mittag zu essen! Für mich wird das genau so sein, als bekäme ich ein zweites Ehrenkreuz. Ich werde Ihnen noch die schriftliche Einladung zukommen lassen.«
    »Schön, ich komme!«
    »Mein Herz zerspringt vor Freude!« rief Cäsar laut aus, als er wieder auf der Straße war. »Vauquelin kommt zu mir ... Ich fürchte ... ich habe vergessen, was er über das Haar gesagt hat! Hast du alles behalten, Popinot?«
    »Ja! Noch nach zwanzig Jahren werde ich mich an jedes einzelne Wort genau erinnern!«
    »Das ist ein Mann!« Birotteau war noch ganz außer dem Häuschen. »Dieser Blick! Dieser Scharfsinn! Er brauchte nicht erst lange zu fragen. Im Augenblick erriet er unsere Gedanken und legte uns die Mittel in die Hand, das Macassar-Öl totzumachen! Verlorene Haare wachsen nicht wieder! Macassar-Öl ist also Schwindel! Popinot, unser Glück ist gemacht! Morgen früh um sieben sind wir in der Fabrik. Die Nüsse kommen heute, und morgen machen wir Öl! Vauquelin kann gut sagen, jedes Öl sei heilsam! Wenn das Publikum das erführe, wären wir geliefert! Wie sollten wir das Fläschchen unseres Öls für drei oder vier Francs verkaufen können, wenn wir nicht das bißchen Nußessenz darin betonten!«
    »Sie bekommen einen Orden, Herr Birotteau? Welche Ehre für...«
    »... für den Kaufmannsstand! Nicht wahr, mein Junge?«
    Die triumphierende Miene Birotteaus, der sich in nicht allzu weiter Ferne im Besitz eines großen Vermögens sah, blieb bei seinen Kommis nicht unbemerkt. Sie machten einander Zeichen, denn die Fahrt im Wagen, der Wichs des Prinzipals und des Kassierers hatten sie auf die unsinnigsten Vermutungen gebracht. Cäsar und Anselm tauschten verständnisinnige Blicke aus, die ihre große Befriedigung verrieten. Zudem sah Popinot einigemal mit hoffnungsvollen Augen auf Cäsarine. Irgendein wichtiges Ereignis bereitete sich vor, mutmaßten die Kommis. In ihrem fast klösterlichen Ladenleben gewannen die kleinsten Dinge Gewicht. Auch die bedenkliche Miene, mit der die Prinzipalin das geheimnisvolle Gebaren ihres Mannes beobachtete, deutete entschieden darauf hin, das große Ereignisse in Sicht waren, denn für gewöhnlich war Frau Birotteau zufrieden und gutgelaunt, zumal wenn das Geschäft gut ging. Und heute waren sechstausend Francs eingenommen worden: man hatte einige rückständige Rechnungen bezahlt.
    Das Eßzimmer und die von einem engen Hof aus beleuchtete Küche befanden sich im Zwischenstock. Sie waren durch einen Gang getrennt, in den die aus einem Winkel des Hinterladens emporsteigende Innentreppe mündete. Früher hatte das Ehepaar Birotteau im Zwischenstock gewohnt, und in dem jetzigen Eßzimmer hatten Cäsar und Konstanze ihre Flitterwochen verlebt. Es sah wie ein kleiner Salon aus. Während der Mahlzeit hütete Raguet, der Lehrling, den Laden. Beim Nachtisch entfernten sich die Kommis und ließen Cäsar, seine Frau und seine Tochter allein. Diese altmodische Sitte rührte noch von Ragons her, die zwischen sich und den Kommis den großen Abstand aufrechterhielten, der ehedem zwischen Meister und Lehrlingen bestand. Alsdann schlürfte der Parfümeur im Lehnstuhl am Kamin behaglich seine Tasse Kaffee, die ihm eine der beiden Frauen bereitete. Zu dieser Stunde pflegte Cäsar seine Frau von den kleinen Ereignissen des Tages zu unterrichten; er erzählte ihr, was er in der Stadt gesehen und was sich in der Vorstadt du Temple ereignet hatte,

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