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Cäsar Birotteau (German Edition)

Cäsar Birotteau (German Edition)

Titel: Cäsar Birotteau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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deshalb unsern Freunden ein Fest geben. Gewiß habe ich mich dieser allerhöchsten königlichen Auszeichnung würdig gemacht, als ich Handelsrichter war und weil ich für die königliche Sache, als ich so in eurem Alter war, auf den Stufen von Saint-Roch am 13. Vendémiaire gekämpft habe. Auf Ehre, Napoleon Bonaparte hat mir eigenhändig eine Wunde beigebracht! Und zwar am Schenkel, und Frau Ragon war es, die mich damals verbunden hat. Der Mensch muß nur Mut haben, dann wird er schon belohnt werden! Seht, liebe Kinder, selbst ein Unglück ist nie nutzlos!«
    »Man wird sich nicht wieder auf der Straße schlagen!« bemerkte Cölestin.
    »Man kann es nicht wissen!« entgegnete Birotteau, der die Gelegenheit ergriff, seinem Personal eine längere Erziehungspredigt zu halten, die er mit einer Einladung schloß.
    Die Aussicht auf den Ball erregte in den drei Kommis, in Raguet und Virginie einen Feuereifer, der ihnen die Gelenkigkeit von Equilibristen verlieh. Alle fünf stiegen schwerbeladen treppauf, treppab, ohne etwas zu zerbrechen oder umzustoßen. Um zwei Uhr morgens war das Umräumen beendet. Birotteau und seine Frau schliefen im zweiten Stock; Popinots Kammer bezogen Colestin und der zweite Kommis. Der dritte Stock wurde einstweilen zu Lagerräumen bestimmt.
    Besessen von jenem heiligen Feuer, das bei ehrgeizigen oder verliebten Leuten, denen große Pläne durch den Kopf gehen, das Gefühl erzeugt, die ganze Welt erobern zu können, gebärdete sich der sonst so sanfte und ruhige Popinot nach Tische im Laden wie ein Rassepferd vor dem Rennen.
    »Was hast du denn vor?« fragte Cölestin.
    »Welch ein Tag, mein Lieber! Ich etabliere mich, und Cäsar Birotteau hat einen Orden gekriegt!« sagte er ihm ins Ohr.
    »Du bist ein Glückspilz! Der Prinzipal unterstützt dich ?« erwiderte Cölestin.
    Popinot antwortete nicht; er verschwand, wie vom Sturme des Glücks hinweggefegt.
    »Ein Glückspilz! Ha!« bemerkte einer der Kommis, der Etiketten sortierte, zu einem andern, der Handschuhe zu Dutzenden packte. »Der Alte hat die Äugelei satt, mit der Popinot der Mamsell Cäsarine nachstellt! Wie gerissen aber der Chef ist! Er schafft ihn sich vom Halse, weil er ihm wegen seiner Verwandten unmöglich einen Korb geben lassen kann! Na, und Cölestin nimmt die Schlaumeierei für Edelmut!«
    Anselm Popinot ging die Rue Saint-Honoré hinunter und eilte in die Rue des Deux-Ecus, um einen jungen Mann aufzusuchen, von dem ihm sein Kaufmannsinstinkt sagte, er sei ein unschätzbares Werkzeug zu seinem Glück.
    Popinots Onkel hatte dem gewandtesten Geschäftsreisenden von Paris, der sich durch sein alles besiegendes Mundwerk und seine Erfolge die Benennung »der berühmte Gaudissart« erworben hatte, früher einmal einen großen Dienst geleistet. Der damals noch Unberühmte nannte sich noch schlechtweg Gaudissart. Einundzwanzig Jahre alt, begann er sich gerade erst auf seinem Spezialgebiet auszuzeichnen. Er war ein beweglicher, höflicher, verbindlicher Mensch von unermüdlichem Gedächtnis und sympathischem Aussehen; mit einem einzigen Blick orientierte er sich über den Geschmack eines jeden; kurz und gut, er verdiente damals bereits zu sein, was er nachher wurde: der »König der Reisenden«.
    Popinot war Gaudissart einige Tage vorher auf der Straße begegnet und hatte von ihm erfahren, daß er im Begriffe war, Paris zu verlassen. Die Hoffnung, ihn noch anzutreffen, trieb unsern Verliebten in die Rue des Deux-Ecus, wo er erfuhr, daß sich der Reisende seinen Platz in der Postkutsche bestellt habe, aber zum Abschied von der Hauptstadt noch einmal ausgegangen sei, um sich eine neue Posse anzusehen. Popinot beschloß, auf ihn zu warten.
    Popinot hatte diesen Gaudissart in der Tasche. Der Reisende, der so gewandt war, wenn es galt, die kleinen Händler der Provinz zum Kaufen zu animieren, hatte sich ungeschickterweise in die erste nach den hundert Tagen gegen die Bourbonen angezettelte Verschwörung verwickelt, und so war er, der nichts mehr schätzte als die frische Luft und seine Ungebundenheit, unter der Last einer Anklage auf Leben und Tod ins Gefängnis gekommen. Popinots Onkel war in seiner Eigenschaft als Kreisrichter mit der Voruntersuchung beauftragt. Als er erkannte, daß der junge Mann lediglich aus unvorsichtiger Geckenhaftigkeit in die Geschichte verwickelt worden war, hatte er ihn auf freien Fuß gesetzt. In den Händen eines andern Untersuchungsrichters, der begierig gewesen wäre, der Staatsgewalt oder dem

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