Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cäsar Birotteau (German Edition)

Cäsar Birotteau (German Edition)

Titel: Cäsar Birotteau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
Vom Netzwerk:
Gegenwart gelobt, und die Lobeserhebungen fanden ein Echo im Herzen des jungen Mädchens. Trotz ihrer Unberührtheit erkannte sie aus Anselms Augen seine heftige Leidenschaft. Die schmeichelt jedem Weibe, so daß es Alter, Stand und Gestalt des Liebenden übersieht. Der kleine, häßliche Popinot mußte viel inniger lieben als ein schöner Mann. Zumal in eine schöne Frau würde er bis zum letzten seiner Tage vernarrt sein; seine Liebe würde ihn ehrgeizig machen; er würde für die Geliebte in den Tod gehen; er würde ihr die Herrschaft im Hause lassen und sich in sie fügen. So dachte Cäsarine instinktiv, vielleicht nicht ganz so brutal. Sie stellte Vergleiche an. Das Glück ihrer Mutter stand ihr vor Augen. Sie wünschte sich kein anderes Leben. Sie sah in Anselm einen durch Bildung vervollkommneten Cäsar. Sie träumte sich aus, Popinot sei Bürgermeister, und fand Vergnügen daran, sich auszumalen, wie sie einst mit ihm in ihrem Stadtviertel Besuche machte, gleichwie ihre Mutter im Kirchspiel Saint-Roch. Schließlich bemerkte sie den Unterschied zwischen Popinots rechtem und linkem Bein nicht mehr; sie wäre imstande gewesen zu sagen: Aber hinkt er denn auch wirklich? Sie liebte sein offenes Auge und freute sich an der Wirkung, die ihr Blick auf diese Augen ausübte, die alsdann in reinem Feuer erglänzten und sich melancholisch senkten. Alexander Crottat in seiner routinierten Frühreife besaß ein halb zynisches, halb joviales Wesen, das die sehr bald durch die Gemeinplätze seiner Unterhaltung gelangweilte Cäsarine gründlich anwiderte. Popinots Schweigen verriet ein zärtliches Gemüt; sie liebte sein schwermütiges Lächeln, das harmlose Scherze ihm entlockten. Sein unermüdlicher Arbeitseifer gefiel Cäsarine. Wenn die andern Kommis tuschelten: »Cäsarine wird den Bureauchef des Herrn Roguin heiraten!« so hatte sie das Gefühl: der lahme rotköpfige Anselm verzagt doch nicht an seinem heimlichen Liebesglück. Große Hoffnung beweist große Liebe.
    »Wohin geht er denn ?« fragte Cäsarine ihren Vater, indem sie eine gleichgültige Miene anzunehmen versuchte.
    »Er macht sich in der Rue des Cinq-Diamants selbständig – im Vertrauen auf den lieben Gott!« gab Birotteau zur Antwort, ohne daß ihn weder Frau noch Tochter völlig verstanden.
    Wenn Birotteau auf eine ideelle Schwierigkeit stieß, so benahm er sich wie die Ameisen vor einem Hindernis: er machte einen Umweg. Er gab der Unterhaltung eine andere Wendung, indem er sich insgeheim vornahm, mit seiner Frau über Cäsarine zu sprechen.
    »Ich habe deine Besorgnisse und deine Ansichten über Roguin Onkel Pillerault erzählt; er hat darüber gelacht!«
    »Du darfst niemandem offenbaren, was wir unter uns sagen«, warnte Konstanze. »Dieser arme Roguin ist vielleicht der anständigste Mensch von der Welt. Er ist achtundfünfzig und denkt wahrscheinlich nicht mehr an ...«
    Sie hielt inne, als sie wahrnahm, daß Cäsarine aufmerksam wurde, und zwinkerte ihrem Manne mit den Augen zu.
    »Ich habe also recht gehandelt, indem ich abgeschlossen habe?«
    »Du bist ja der Herr.«
    Cäsar faßte seine Frau bei den Händen und küßte sie auf die Stirn. Die eben von ihr gesprochenen Worte bedeuteten stets ihre stumme Einwilligung in die Pläne ihres Mannes.
    »Aufgepaßt!« rief der Parfümeur, als er ins Geschäft hinunterkam, seinen Kommis zu, »der Laden wird um zehn Uhr geschlossen! Meine Herren, ein Hauptrummel! Während der Nacht müssen alle Möbel aus dem ersten in den zweiten Stock hinaufgeschafft werden! Wir wollen sozusagen mal die kleinen Töpfe in die großen setzen, damit mein Baumeister morgen früh freie Bahn hat.
    Popinot ist ohne Erlaubnis weggegangen!« fuhr er fort, nachdem er sich vergeblich nach ihm umgesehen hatte. »Na, meinetwegen! Er schläft ja nicht hier, wie mir eben wieder einfällt.« Bei sich dachte er: Der Mensch ist ausgegangen, entweder um Vauquelins Idee zu Papier zu bringen, oder um sich einen Laden zu mieten.
    »Wir kennen die Ursache des Umzugs«, sagte Cölestin Crevel, der im Namen der beiden andern Kommis und Raguets, die alle miteinander hinter ihm standen, das Wort ergriff; »ist es uns erlaubt, unserm verehrten Chef zu einer ehrenvollen Auszeichnung Glück zu wünschen, die auf das ganze Geschäft Glanz wirft? Popinot hat uns gesagt, daß der Herr...«
    »Na ja, meine Kinder, es ist schon so! Man hat mich dekoriert. Nicht bloß zur Feier des Umzuges, sondern auch zur Feier meiner Aufnahme in die Ehrenlegion will ich

Weitere Kostenlose Bücher