Cäsar Birotteau (German Edition)
verlockte die Müßiggänger und Neugierigen zum Zusehen von der Gasse aus, und die Klatschbasen des Viertels raunten sich Wunderdinge von der erstehenden Pracht zu.
An dem zum Abschluß des Geschäftes bestimmten Sonntage kamen Ragons und Onkel Pillerault nachmittags gegen vier Uhr zu Birotteau. In Anbetracht des Baurummels im Hause hatte Cäsar nur Claparon, Crottat und Roguin zu sich gebeten. Der Notar brachte das »Journal des Debats« mit, in das irgendein Gönner Birotteaus, vielleicht de la Billardière, folgenden Artikel lanciert hatte:
»Wir erfahren, daß die Räumung unseres Gebiets von den fremden Truppen in ganz Frankreich mit Begeisterung gefeiert werden wird. In Paris insbesondere haben die Mitglieder des Stadtrats das Gefühl, der Augenblick sei gekommen, in der Hauptstadt das ehemalige glänzende gesellschaftliche Leben wiedererstehen zu lassen, das aus naheliegenden Rücksichten während der Okkupation schlummern mußte. Jeder Stadtrat und jeder Stadtverordnete hat sich vorgenommen, einen Ball zu geben. Der Winter verspricht sehr glänzend zu werden, wenn diese nationale Regung um sich greift. Unter allen Festen, die vorbereitet werden, zieht der Ball des durch seine treue royalistische Gesinnung bekannten Herrn Birotteau, der zum Ritter der Ehrenlegion ernannt worden ist, die öffentliche Aufmerksamkeit besonders auf sich. Herr Birotteau, der an der Kirche von Saint-Roch am 13. Vendémiaire verwundet worden ist und einer der geschätztesten Richter am Handelsgerichte war, hat diese allerhöchste Auszeichnung somit doppelt verdient.«
»Wie hübsch man doch jetzt schreibt!« schmunzelte Cäsar. »Man spricht von mir im Journal!« sagt er zu seinem Onkel.
»Na, was ist denn da dabei ?« entgegnete Pillerault, der eine unüberwindliche Abneigung gegen das »Journal des Debats« hegte.
»Vielleicht fördert der Artikel den Absatz der Sultaninnen-Creme und des Venus-Wassers«, meinte Frau Birotteau leise zu Frau Ragon.
Frau Ragon war groß, hager und verschrumpelt; sie hatte eine sehr dünne Nase und schmale Lippen und erinnerte in ihrer Gesamterscheinung ein wenig an die Marquisen des Ancien régime. Wie bei allen Frauen, die viel durchgemacht haben, lagen ihre matten Augen ziemlich tief. Ihr ernstes, würdiges, doch nicht unfreundliches Wesen flößte Ehrerbietung ein. Übrigens hatte sie etwas Seltsames an sich, etwas Auffälliges, doch keineswegs Lächerliches, das in ihrer Art, sich zu kleiden, und in ihren Manieren lag. Sie trug Handschuhe ohne Finger und trennte sich nie von ihrem Sonnenschirm, der einen so hohen Stock hatte wie der der Königin Marie Antoinette im Trianon. Ihr Kleid, dessen Farbe meist jenes matte Braun war, das man feuillemorte nennt, fiel in unnachahmlichen Falten über ihre Hüften; die vornehmen Witwen der vergangenen Zeit haben das Geheimnis dieses Faltenwurfs mit ins Grab genommen. Dazu trug sie ewig denselben schwarzen Spitzenumhang und dieselben, altmodischen koketten Häubchen. Sie schnupfte Tabak mit exquisiter Sauberkeit und dem Gebärdenspiel, an das sich die Jugend von damals noch erinnerte, die das Glück gehabt hatte, ihre Großmütter und Großtanten zu sehen, wie sie goldene Dosen feierlich neben sich auf den Tisch legten und die auf ihr Busentuch fallenden Tabakskrümchen graziös abschüttelten.
Herr Ragon war klein, höchstens fünf Fuß hoch, und hatte ein Nußknackergesicht, in dem man nichts weiter sah als die Augen, zwei spitze Backenknochen, eine Nase und ein Kinn. Er hatte keine Zähne und verschluckte die Hälfte seiner Worte. Seine Unterhaltung war geschwätzig, galant, prätentiös. Er lächelte in einem fort so, wie er weiland gelächelt, als er die schönen Damen bewillkommnete, die der Zufall in seinen Parfümladen geführt hatte. Der Puder zeichnete auf seinem glänzenden Schädel einen schneeigen Halbmond, der hinten von zwei Haarbüscheln flankiert wurde, die ein mit einem schwarzen Bande geschmückter Zopf trennte. Der alte Mann trug einen kornblumenblauen Frack, eine weiße Weste, seidene Kniehosen und Strümpfe, Schuhe mit goldenen Schnallen und schwarzseidene Handschuhe. Er hatte den Spleen, stets den Hut in der Hand zu tragen. Alles in allem sah er aus wie ein Hoflakai, wie einer jener Leute, die bei irgendeiner obrigkeitlichen Macht angestellt sind, deren Glanz sie um so mehr usurpieren, je geringer sie selber sind.
»Na, Birotteau«, fragte er in hoheitsvollem Tone, »reut es dich, mein Junge, daß du damals auf uns gehört hast?
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