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Cäsar Birotteau (German Edition)

Cäsar Birotteau (German Edition)

Titel: Cäsar Birotteau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Flecken auf seiner rauhen Haut. Er sah aus wie ein häßlicher, frecher Schmierenkomödiant, der alle Rollen parodiert. Sein fideles Trinkergesicht ließ den Gedanken an Geschäftsernst schwerlich aufkommen. Claparon mußte sich somit redliche Mühe geben, ehe es ihm gelang, eine einigermaßen wirkende Würde zu heucheln. Du Tillet hatte seiner heutigen Toilette beigewohnt, sorglich wie ein Schauspieldirektor vor dem Debüt eines neuen ersten Liebhabers. Damit die losen Gewohnheiten dieses Bummlers den Gesellschaftsfirnis nicht durchbrächen, hatte er ihm allerlei gute Lehren gegeben.
    »Tu den Mund möglichst wenig auf!« hatte er zu ihm gesagt. »Ein Bankier schwatzt nicht, er handelt, denkt, überlegt, hört und wägt ab. Willst du für einen echten Bankier gelten, so halt dein Maul oder bring unbedeutende Dinge vor! Schau ernst drein, meinetwegen blöde! In der Politik sei für die Regierung und wirf mit allgemeinen Redensarten um dich, wie zum Beispiel: Das Budget ist arg. Zwischen den Parteien ist ein Ausgleich unmöglich. Die Liberalen, das sind gefährliche Leute! Die Bourbonen müssen jeden Konflikt vermeiden. Der Liberalismus ist das Mäntelchen eigennütziger Interessen. Die Bourbonen bereiten uns eine Ära des Wohlstandes vor; unterstützen wir sie, wenn wir sie auch nicht lieben! Frankreich hat politische Erfahrungen genug gemacht! Und ähnlichen Blödsinn. Lümmle dich nicht auf den Tisch auf! Bedenke, daß du die Würde eines Millionärs zu wahren hast! Schnupf deinen Tabak nicht wie ein alter Invalide; spiele mit der Dose! Schau auf deine Füße oder an die Decke, ehe du antwortest, und gib dir ein tiefsinniges Aussehen. Vor allen Dingen aber lege die unglückliche Gewohnheit ab, über alles zu räsonieren! Das ist nichts für einen Bankier. Ach so, vergiß nicht, gelegentlich zu bemerken, daß du die Nächte hindurch arbeitest, daß die ewige Rechnerei angreife! Es gehöre so vielerlei dazu, eine Sache in Gang zu bringen! Du hättest toll zu tun! Schimpfe besonders recht auf die Geschäfte! Geschäfte seien gräßlich, strapaziös, schwierig, dornenvoll. Weiter gehst du aber nicht, spezifizierst auch nichts! Sing bei Tisch ja nicht etwa die albernen Lieder deines Béranger und trink nicht zu viel! Beschwipst du dich, so richtest du deine Zukunft zugrunde! Roguin wird auf dich aufpassen. Du wirst dich unter sittenstrengen, ehrbaren Bürgersleuten befinden; entsetze sie ja nicht durch deine Stammtischwitze!«
    Diese Sittenpauke hatte geistig auf Claparons Geist genau dieselbe Wirkung hervorgebracht wie in körperlicher Beziehung seine neue Kleidung. Dieser Bruder Lustig war jedermanns Freund. Er war an bequeme lose Kleidung gewöhnt, die seinen Körper nicht genierte; ebenso pflegte er zu reden, wie ihm der Schnabel gewachsen war. Eingezwängt in den neuen Anzug, auf den ihn der Schneider auch noch lange hatte warten lassen, ging er steif einher, als hätte er ein Lineal verschluckt. Er war in seinen Bewegungen wie in seiner Rede unsicher geworden. Zerstreut griff er mit der Hand nach seiner Schnapspulle in der Brusttasche, zog sie aber gerade noch zur rechten Zeit zurück. Oder er hielt mitten in einem Satze inne. Dem feinen Beobachter Pillerault fiel der lächerliche Zwiespalt an ihm auf. Das rote Gesicht und die Perücke mit den lustigen Korkzieherlocken straften seine steife Haltung Lügen. Ebenso lagen offenbar seine Gedanken mit seinen Worten im Streite. Schließlich aber nahmen die guten Leutchen diese beständigen Dissonanzen für Zerstreutheit.
    »Er hat so viele Geschäfte im Kopf!« entschuldigte ihn Roguin.
    »Vor lauter Geschäften vernachlässigt er entschieden seine Bildung!« bemerkte Frau Ragon zu Cäsarine.
    Roguin hörte das, legte einen Finger an den Mund und meinte, sich Frau Ragon zubeugend: »Er ist reich, gewandt und außerordentlich ehrlich!«
    »Na, da kann man ihm ja manches nachsehen!« bemerkte Pillerault leise zu Ragon.
    Roguin schlug vor, nunmehr den Vertrag vorlesen zu lassen. Die Frauen zogen sich zurück.
    Crottat verlas das Schriftstück. Cäsar unterzeichnete dann einen Hypothekenbrief in der Höhe von vierzigtausend Francs auf die Baustellen und seine in der Vorstadt du Temple gelegene Fabrik. Diese vierzigtausend Francs wollte ein Klient Roguins geben. Dann übergab er dem Notar Pilleraults Bankanweisung, zahlte ohne Quittung zwanzigtausend Francs bar und hundertvierzigtausend Francs in Wechseln auf Claparons Order.
    »Ich brauche Ihnen keine Quittung zu geben«,

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