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Cäsar Birotteau (German Edition)

Cäsar Birotteau (German Edition)

Titel: Cäsar Birotteau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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vorsintflutliches Spitzenjabot, in dem eine Nadel mit einer bläulichen Kamee steckte. Die schwarzseidenen Kniehosen zeigten seine spindeldürren Beine. Cäsar führte ihn triumphierend durch die vier Zimmer, die der Architekt im ersten Stock geschaffen hatte.
    »Hm, ja! Das haben Sie fein gemacht, Herr Birotteau! Wie sie jetzt aussieht, ist meine erste Etage tausend Taler wert!« Am liebsten hätte er auf der Stelle die Miete gesteigert.
    Der Ball erlosch wie eine glänzende Rakete früh um fünf. Von den hundert und einigen Wagen standen um die Zeit noch etwa vierzig in der Rue Saint-Honoré. Man tanzte zuletzt einen Großvater und dann noch einen Kotillon und einen Galopp. Du Tillet, Roguin, Graf von Granville und Julius Desmarets hatten gejeut, wobei du Tillet dreitausend Francs gewann. Dem letzten Tanze sahen auch die Spieler zu, das Kerzenlicht erstarb im Morgengrauen.
    In bürgerlichen Kreisen arten Feste stets aus. Der vornehmere Teil der Gäste hat sich entfernt; die heiße Luft und der Wein steigen den Bleibenden in die Köpfe. Selbst Matronen mischen sich unter die Tanzenden. Alles überläßt sich mehr oder weniger der Narretei des Augenblicks. Die Männer, denen das Haar in das erhitzte Gesicht hängt, werden in ihren Bewegungen albern und lächerlich; die jungen Frauen lassen sich gehen, ihre Frisuren lösen sich. Überall lautes Lachen. Scherze fliegen hin und her.
    Matifat tanzte zu guter Letzt, einen Damenhut auf dem Kopfe, Cancan. Die Frauen klatschten ihm, außer Rand und Band, Beifall zu.
    »Wie lustig sie alle sind!« sagte Birotteau glücklich.
    »Wenn nur niemand was zerbricht!« meinte Konstanze besorgt.
    »Sie haben den wundervollsten Ball gegeben, den ich je mitgemacht habe. Und das will was heißen!« schmeichelte du Tillet seinem ehemaligen Prinzipal.
    Das großartige Finale aus der C-moll-Symphonie Beethovens beschloß das Fest. Müde, aber glücklich, legte sich die Familie Birotteau gegen morgen zur Ruhe. Der Ball hatte einschließlich des Umbaues, der Herrichtung, der neuen Möbel, der Bibliothek, der Toiletten, des Aufwands und so weiter alles in allem an die sechzigtausend Francs gekostet.

Acht Tage nach dem Fest – das gewissermaßen das letzte Strohfeuer im Herde eines Heims war, in dem der Wohlstand achtzehn Jahre lang gehaust hatte – betrachtete Birotteau die draußen auf der Straße Vorübergehenden durch die Scheiben seines Ladens. Er dachte an seine jetzigen Geschäfte. Sie lasteten auf ihm schwer wie Blei. Bisher war alles in seinem Leben einfach gewesen. Er hatte fabriziert, verkauft oder gekauft und wieder verkauft. Jetzt brachten ihn die Terrainspekulationen, seine Teilhaberschaft am Hause »Anselm Popinot & Co.« und seine Wechselschuld von insgesamt hundertsechzigtausend Francs um seine Gemütsruhe. Diese hundertsechzigtausend Francs mußten entweder zum größten Mißfallen seiner Frau immer wieder prolongiert werden, oder Popinots Geschäft mußte derartig glänzend gehen, daß die Wechsel davon bezahlt werden konnten. Das Komplizierte seiner Interessen ging ihm auf die Nerven; er kam sich vor wie ein Kutscher, der mehr Zügel in den Händen hält, als er zu handhaben sich imstande fühlt. Und wie kutschierte indessen Popinot? Birotteau stand ihm gegenüber wie ein Gymnasialoberlehrer seinem Schüler: er traute ihm absolut nichts zu und bedauerte, daß er nicht immer hinter ihm stehen konnte. Der Fußtritt, den er ihm versetzt hatte, um ihn bei Vauquelin zum Mundhalten zu veranlassen, kennzeichnet die Befürchtungen, die der junge Kaufmann seinem früheren Prinzipal bereitete. Indessen hütete sich Birotteau gar wohl, sich von seiner Frau, seiner Tochter oder Anselm durchschauen zu lassen. Aber was nützte ihm das ? Es ging ihm nunmehr, wie es einem simplen Bootsführer von der Seine gehen würde, wenn ihn der Marineminister zum Kommandanten eines Linienschiffes machen möchte. Seine eigenen Gedanken bildeten eine Art Nebel vor seiner Intelligenz, die wirklicher Gedankenarbeit wenig gewachsen war, und so stand er da und suchte diesen Nebel zu durchleuchten.
    Da erblickte er draußen auf der Straße ein Gesicht, gegen das er eine starke Abneigung hegte, das Gesicht seines zweiten Hauswirts, des kleinen Molineux. Das Leben ist wie ein Märchen, in dem es einen bösen Geist gibt. Es kam Birotteau seit einiger Zeit vor, als spiele Molineux diese Rolle in seinem Dasein. Während seines Festes hatte er beobachtet, daß Molineux mit haßerfüllten Teufelsaugen den Aufwand

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