Cäsar Birotteau (German Edition)
Ihre schönen, noch jugendlichen und frischen Arme, ihr Hals, ihre leuchtende Brust kamen durch den reichen Stoff und seine kräftige Farbe voll zur Geltung. Die naive Zufriedenheit, die jede Frau empfindet, wenn sie sich in ihrer ganzen Schönheit sieht, verlieh dem kameenfeinen Gesicht Konstanzes mit seinem griechischen Profil eine wunderbare Lieblichkeit.
Cäsarine, im weißen Kreppkleid, trug einen Kranz von weißen Rosen um das Haar und eine rote Rose im Gürtel. Ein Schal umhüllte ihre Schultern. Popinot war toll verliebt.
Vauquelin, leutselig und liebenswürdig, kam mit Lacépède, seinem Kollegen vom Institut, der ihn im Wagen abgeholt hatte. Als die beiden die schöne Parfümeursfrau sahen, sagten sie Gelehrtengalanterien.
»Gnädige Frau«, meinte der Chemiker, »Sie haben sicherlich ein Rezept, ewig jung und schön zu bleiben, das die Wissenschaft nicht kennt!«
»Betrachten Sie sich als hier zu Hause, Herr Akademiker!« bewillkommnete ihn Birotteau. »Herr Graf!« versetzte er dann, sich zu dem Großmeister der Ehrenlegion wendend, »ich verdanke mein ganzes Glück Herrn Professor Vauquelin... Ich habe die Ehre, Euer Gnaden den Herrn Präsidenten des Handelsgerichts vorzustellen ...« Joseph Lebas, der neben, dem Präsidenten stand, bekam noch zu hören: »Das ist Graf von Lacpeède, Pair von Frankreich, einer der großen Männer unseres Vaterlandes; er hat vierzig Bände geschrieben!«
Die Gäste waren pünktlich. Das Diner war, wie alle Festlichkeiten bei Kaufleuten, außergewöhnlich fröhlich. Witze, Scherze, Anekdoten erregten immer neues Lachen. Die Vortrefflichkeit der Gerichte und die Güte der Weine wurden gehörig gewürdigt.
Als die Gesellschaft zum Kaffee in den Salon ging, war es halb zehn Uhr. Einige Droschken hatten bereits die ersten ungeduldigen Tänzerinnen gebracht. Eine Stunde später war der Salon gefüllt und der Ball begann.
Lacépède und Vauquelin entfernten sich zum großen Bedauern Birotteaus, der die beiden Herren bis an die Treppe geleitete und sie vergeblich bat, noch länger zu bleiben. Es gelang ihm aber, den Oberbürgermeister und den Kreisrichter Popinot zurückzuhalten.
Nur drei Frauen sahen wirklich schick aus, die Repräsentantinnen der Aristokratie, der Hochfinanz und der Regierung: Fräulein von Fontaine, Frau Julius Desmarets und Frau Rabourdin. Durch ihre glänzende Schönheit, ihre Toiletten und ihr Benehmen stachen sie von allen andern ab. Die übrigen Frauen trugen schwerfällige, ungeschickte Kleider; sie hatten etwas Protziges und jenes gewisse Etwas an sich, das der bürgerlichen Masse ein so gewöhnliches Aussehen gibt. Um so mehr traten die Grazie und der Schick jener drei Damen hervor. Die Bourgeoisie der Rue Saint-Denis machte sich in voller Arroganz breit und fühlte sich in ihrer witzelnden Albernheit glücklich. Es waren jene typischen Spießbürger, die ihre Kinder in Soldatenkostümen umherlaufen lassen, von Hintertreppenromanen zu Tränen gerührt werden, sich am Aufziehen der Wachtparade begeistern, sonntags mit Kind und Kegel Landpartien machen, sich die größte Mühe geben, vornehm auszusehen, hohe Ämter und Titel erträumen und so weiter, eifersüchtige, kleinliche, wiederum gutmütige, dienstbereite, ergebene, rührselige und mitleidige Leute!
Frau Matifat, die sich hatte hervortun wollen, trug zum Tanz einen Turban auf dem Kopf und ein schweres, rotes, golddurchwirktes Kleid. Diese Toilette harmonierte mit ihrem hochmütigen Gesicht, der römischen Nase und dem hochroten Teint. Herr Matifat, der bei den Paraden der Bürgergarde mit seinem Schmerbauche so gebieterisch aussah, ward von dieser Kontortyrannin völlig beherrscht. Dick und stämmig, mit einem Klemmer bewaffnet, in einem Hemdkragen, der ihm beinahe bis über die Ohren reichte, machte er sich durch seine Stentorstimme und die Reichhaltigkeit seines Wortschatzes bemerkbar. Niemals sagte er bloß »Corneille«, sondern stets »der göttliche Corneille«! Racine war der »sanfte Racine«! Voltaire: »mehr Witzbold als Genie und doch ein Genie!« Rousseau: »ein dunkler Geist, ein stolzer Mann!« Umständlich erzählte er gemeine Anekdoten von Piron, der im Bürgertum als Mordskerl gilt. Matifat schwärmte für Schauspielerinnen; er hatte überhaupt einen leisen Hang zum Libertin. Es ging sogar das Gerücht, er habe eine Geliebte. Wenn er seine Anekdoten erzählte, fiel ihm seine Frau oft ins Wort: »Dicker, achte auf deine Worte!« Die umfangreiche Drogistin brachte sogar
Weitere Kostenlose Bücher