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Cäsar Birotteau (German Edition)

Cäsar Birotteau (German Edition)

Titel: Cäsar Birotteau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Fräulein von Fontaine aus ihrer aristokratischen Ruhe. Das hochmütige Mädchen konnte sich des Lachens nicht erwehren, als die Frau zu ihrem Manne sagte: »Sieh nicht immer in den Spiegel, Dicker! Das macht man nicht!«
    Die in ihren Festkleidern beengten Bürgersfrauen fanden sich wunderschön und ließen naiv ihre Freude sehen, die deutlich bewies, daß ein Ball in ihrem arbeitsreichen Leben eine Seltenheit war. Nur jene drei Damen der großen Welt, für die Balltoiletten etwas Alltägliches waren, machten sich keine Gedanken darüber, was für Eindruck sie hervorriefen. Auf ihren Gesichtern trugen sie nicht den feierlich-festlichen Ausdruck der andern. Sie tanzten mit Grazie und in jener weichen Auflösung des Körpers, die unbekannte Genies in gewissen antiken Statuen festgehalten haben. Die übrigen hingegen behielten ihre schwerfälligen Bewegungen und waren ausgelassen lustig. Sie blickten voll Neugierde; ihre Stimmen blieben nicht bei dem leisen Flüstern, das der Ballunterhaltung etwas unwillkürlich Pikantes gibt. Die Ruhe und die gemessene Haltung, die Leute von großer Selbstbeherrschung auszeichnet, gingen ihnen ab. Frau Roguin, Konstanze und Cäsarine bildeten gleichsam das Bindeglied zwischen der Bourgeoisie und jenen drei Mondänen. Wie auf allen Bällen, so kam auch hier ein Zeitpunkt, da Licht, Lust, Musik und Tanz eine Art Rausch erzeugten. Man wurde laut und lärmend.
    Die Komtesse von Fontaine wollte sich verabschieden. Aber Birotteau, seine Frau und Tochter suchten sie noch zurückzuhalten.
    »Ihr Heim durchweht ein Parfüm von gutem Geschmack, das mich wahrhaft in Erstaunen setzt«, meinte sie impertinent; »ich mache Ihnen mein Kompliment!«
    Birotteau fühlte in seinem Rausch die Anzüglichkeit nicht heraus, aber seine Frau errötete und wußte nicht, was sie antworten sollte.
    »Wirklich ein Nationalfest, das Ihnen Ehre macht!«
    lobte der liberale Camtisol, Seidenhändler aus der Rue des Bourdonnais.
    »Ich habe selten einen so prächtigen Ball mitgemacht«, versicherte de la Billardière, dem es auf eine Höflichkeitslüge nicht ankam.
    Birotteau nahm alle Komplimente ernst.
    »Ein herrliches Bild! Und die vorzügliche Kapelle! Werden Sie öfter solche Bälle geben?« forschte Frau Lebas.
    »Ach, welch ein reizendes Zimmer! Ist es nach Ihren Angaben ausgeführt?« fragte Frau Desmarets.
    Birotteau riskierte eine Lüge und ließ Frau Desmarets bei ihrem Glauben.
    Cäsarine tanzte jede Tour. Bei einem Konter wagte es Anselm, mit dem reizenden Mädchen von seiner Liebe zu sprechen; er brachte es aber, wie alle schüchtern Liebenden, nur auf einem Umwege zustande.
    »Mein Glück hängt von Ihnen ab, gnädiges Fräulein!«
    »Wieso?«
    »Der Erfolg in meinem Geschäft hängt davon ab, ob ich hoffen darf.«
    »So ? Dann hoffen Sie nur!«
    »Wissen Sie auch, was Sie alles mit diesen zwei Worten sagen ?«
    »Hoffen Sie auf Ihr Glück!« wiederholte Cäsarine schelmisch.
    »Gaudissart«, sagte Anselm nach dem Konter zu seinem Freunde, indem er ihm den Arm mit herkulischer Kraft drückte, »mache deine Sache gut oder ich erschieße mich! Wenn wir Glück haben, heiratet mich Cäsarine; sie hat mir's eben gesagt. Gott, sieh doch, wie schön sie ist!«
    »Ja, sie ist wirklich allerliebst! Und reich! Wir wollen sie schon kriegen!«
    Das gute Einverständnis zwischen Crottat, Roguins Nachfolger in spe, und Fräulein Lourdots ward von Frau Birotteau bemerkt. Sie vermochte sich nicht ohne Verdruß von der Hoffnung zu trennen, ihre Tochter dereinst als die Frau eines Pariser Notars zu sehen. Onkel Pillerault setzte sich in einen Lehnsessel, betrachtete die Spieler, hörte auf die Unterhaltung und kam von Zeit zu Zeit an die Tür, um die Jugend tanzen zu sehen. Seine Haltung war ganz die eines Philosophen.
    Die Männer sahen im allgemeinen grotesk aus; nur wenige machten eine Ausnahme, wie du Tillet, der sich bereits die Manieren der großen Welt angeeignet hatte, der junge de la Billardière, ein angehender Dandy, Julius Desmarets und die offiziellen Persönlichkeiten. Aber all die mehr oder minder komischen Figuren, denen die Gesellschaft ihren Gesamtcharakter verdankte, übertraf eine ganz besonders bizarre: der Tyrann aus dem »Holländischen Hofe«. Er hatte einen grün und weiß melierten Frack an, in dem er wie eine große Eidechse aussah; über der roten Weste eine riesige Uhrkette mit einem Pfund klappernder Berlocken. Dazu trug er feine, aber durch langes Liegen vergilbte Wäsche und ein

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