Cäsar Cascabel
ganzer drei Monate haben sie nichts als Wasser zu trinken und Baumrinde zu essen.«
»Brotrinde wollen Sie sagen, Herr Jean?« fragte Clou-de-Girofle.
»Nein; Baumrinde. Nach solchen Entbehrungen ist dann eine kleine Unmäßigkeit verzeihlich!«
Während die Nomaden in Jurten wohnen, einer Art konisch geformter Zelte aus weißem Stoffe, haben die Ansässigen Holzhäuser inne, die nach dem Geschmacke und den Bedürfnissen eines jeden gebaut sind. Diese sorgfältig gehaltenen Häuser werden von sehr steilen Dächern überragt, deren Abschüssigkeit das Schmelzen des Schnees an der Aprilsonne begünstigt. Der Marktflecken Maksimova bietet einen lachenden Anblick. Die Bewohner sind von angenehmem Typus, freimütigem Gebaren, klarem Blick und etwas stolzem Gesichtsausdruck. Die Frauen erscheinen anmutig und ziemlich hübsch, trotzdem ihre Gesichter tättowiert sind. Sehr zurückhaltend, sehr streng von Sitten, lassen sie sich niemals barfuß oder barhaupt sehen.
Die Familie wurde von den Jakutenhäuptlingen, welche den Namen, »Kinoes« führen, und den Ältesten, »Starsynas«, der Stadt sehr herzlich aufgenommen. Diese wackeren Leute stritten sich um die Ehre, sie unentgeltlich beherbergen und bewirten zu dürfen. Aber nachdem sie ihnen gedankt, bestand Cornelia darauf, ihre Anschaffungen bar zu bezahlen, unter anderem einen Petroleumvorrat, welcher die Heizung des Küchenofens auf längere Zeit hinaus sicherstellte.
Übrigens erzielte die Belle-Roulotte auch hier ihre gewohnte Wirkung. Noch nie war ein Gauklerwagen in dies Land gekommen. Eine Menge Jakuten beiderlei Geschlechts besuchte sie und man fand keinen Anlaß, sein vertrauensvolles Entgegenkommen zu bereuen. In dieser Provinz wird selten ein Diebstahl begangen – selbst zum Nachteile Fremder nicht. Und wenn es vorkommt, so folgt die Strafe unmittelbar dem Vergehen. Sowie das Vergehen konstatiert worden ist, wird der Dieb öffentlich mit Ruten gezüchtigt. Und dieser physischen Strafe folgt die moralische: für sein ganzes Leben geschändet, ist er aller bürgerlichen Rechte verlustig und kann nie wieder für einen »ehrlichen Mann« gelten.
Am dritten April erreichten die Reisenden die Ufer des Oden, eines Flüßchens, das sich nach einem Laufe von fünfzig Meilen in den Golf von Anabara ergießt.
Das bisher sehr günstige Wetter begann sich zu verändern. Bald stellten sich reichliche Regengüsse ein, deren erste Wirkung es war, den Schnee zum Schmelzen zu bringen. Das währte acht Tage, während deren der Wagen an sumpfigen Stellen nur mühsam und manchmal sogar unter ernstlichen Gefahren vorwärts kam. So kündigte sich der Frühling in diesen hohen Breiten an, – bei einer Durchschnittstemperatur von zwei bis drei Grad über Null.
Diese Fahrt verursachte große Beschwerden. (Seite 266.)
Diese Fahrt verursachte große Beschwerden. Aber man konnte sich zu der Mitwirkung der beiden russischen Matrosen nur Glück wünschen, denn sie zeigten sich sehr ergeben und sehr brauchbar.
Am achten April machte die Belle-Roulotte am rechten Ufer des Anabaraflusses Halt, nachdem sie seit ihrer Abfahrt von Maksimova eine Strecke von vierzig Meilen zurückgelegt hatte.
Es war noch eben Zeit, diesen Fluß auf dem Eise zu passieren, obgleich der Eisstoß sich weiter unten bereits in Bewegung gesetzt hatte. Man hörte das dumpfe Krachen der Eisblöcke, welche die Strömung donnernd auf den Golf zuwälzte.
Eine Woche später hätte man nach irgend einer Furt suchen müssen, – was nicht leicht gewesen wäre, da die Wasser beim Schmelzen der Schneemassen jählings anschwellen.
Die wiederum grünende Steppe bedeckte sich mit frischem Grase, welches den Zugtieren trefflich mundete. Die Stauden knospeten. Binnen drei Wochen würden sich die ersten Blätter an ihren Zweigen entfalten. Der aufsteigende Saft verjüngte auch die mageren Baumskelette, welche die Winterkälte ausgedörrt hatte.
Hie und da bogen kleine Gruppen von Birken und Lärchenbäumen sich geschmeidiger im Windhauch. Die ganze Natur des hohen Nordens belebte sich an der Sonnenwärme.
Je weiter man sich vom Küstengebiet entfernte, desto volkreicher wurde die Landschaft. Manchmal begegnete die kleine Truppe einem Steuereinnehmer, der von Dorf zu Dorf zog, um den Tribut zu beheben. Dann machte man wohl Halt, tauschte einige Worte mit dem wandernden Beamten und bot ihm ein Glas Wódka an, das er gern entgegennahm, und trennte sich mit beiderseitigen guten Wünschen für die Reise.
Eines Tages
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