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Cäsar Cascabel

Cäsar Cascabel

Titel: Cäsar Cascabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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anfangen solle. Aber Herr Steward beharrte mit echtem Yankee-Starrsinn, und im Jahre 1867 war die Sache bereits sehr weit gediehen. Wenn der Vertrag zwischen Amerika und Rußland noch nicht unterzeichnet war, so mußte er es in kürzester Frist werden.
    Es war am Abend des einunddreißigsten Mai, als die Familie Cascabel jenseits der Grenze bei einer Gruppe großer Bäume Halt gemacht hatte. Hier befand die Belle-Roulotte sich in Alaska, auf durchaus russischem Gebiete und nicht mehr auf dem Boden von Britisch-Kolumbia. Herr Cascabel konnte in dieser Hinsicht beruhigt sein.
    Er hatte denn auch seine gute Laune wiedererlangt, und das in so hohem Grade, daß alle die Seinigen davon angesteckt wurden. Jetzt würde ihr Weg bis ins europäische Rußland hinein nur mehr durch moskowitisches Gebiet führen. Alaska oder Sibirien, standen diese weiten Länderstrecken doch unter der Herrschaft des Zars!
    Das war ein fröhliches Nachtmahl! Jean hatte einen großen und fetten Hasen geschossen, den Wagram im Gehölze aufgestöbert hatte. Einen echt russischen Hafen, wenn’s gefällig ist!
    »Und wir wollen eine gute Flasche trinken!« sagte Herr Cascabel. »Beim Himmel! diesseits der Grenze atmet sich’s freier. Das ist amerikanische Luft, mit einer Beimischung von russischer Luft. Zieht sie in vollen Zügen ein, Kinder!… Geniert euch nicht!… Es ist genug da für alle – sogar für Clou, trotz seiner ellenlangen Nase. Uf!… Während unserer fünfwöchentlichen Reise durch jenes verwünschte Kolumbien bin ich beinahe erstickt!«
    Als das Nachtmahl beendet und der letzte Tropfen der guten Flasche getrunken war, zog ein jeder sich in seine Abteilung und auf sein Lager zurück. Die Nacht verging sehr ruhig. Sie wurde weder durch das Nahen schädlicher Tiere, noch durch das Erscheinen wandernder Indianer gestört. Am folgenden Morgen hatten Pferde und Hunde vollkommen von ihren Anstrengungen ausgeruht.
    Bei Tagesanbruch war alles in Bewegung und die Gäste des wirtlichen Rußland, »dieser Schwester Frankreichs«, wie Herr Cascabel sagte, rüsteten sich zur Weiterfahrt. Das dauerte nicht lange. Kurz vor sechs Uhr morgens bewegte die Belle-Roulotte sich in nordwestlicher Richtung vorwärts, um den Simpsonfluß zu erreichen, über den man leicht mittelst Fähre gelangen würde.
    Die Spitze, welche Alaska nach Süden ausstreckt, ist ein schmaler, unter dem allgemeinen Namen Thlinkithen bekannter Küstenstreif, längs dessen sich eine Anzahl Inseln oder Inselgruppen hinzieht, wie die Prince-of-Wales-, die Crooper-, die Kuju-, die Baranow-oder Sitka-Insel u. a. mehr. Auf der letztgenannten Insel liegt die Hauptstadt von Russisch-Amerika, die auch den Namen Neu-Archangel führt. Einmal in Sitka angelangt, gedachte Herr Cascabel einen mehrtägigen Halt zu machen, erstens um sich auszuruhen, und zweitens um sich auf die Beendung jenes ersten Teiles seiner Reise vorzubereiten, welcher die Beringstraße zum Ziel hatte.
    Der Weg nach Sitka führte längs des Küstengebirges über einen kapriciös zerklüfteten Landstreifen.
    Herr Cascabel brach denn auch auf, aber bei seinen ersten Schritten auf alaskischem Boden stellte sich ihm ein Hindernis entgegen, und dieses Hindernis schien unüberwindlich zu sein.
    Das wirtliche Rußland, die Schwester Frankreichs, schien nicht geneigt, jene französischen Brüder, aus denen die Familie Cascabel bestand, gastfreundlich aufzunehmen.
    Rußland trat ihnen nämlich in der Person dreier Grenzwächter entgegen, kräftiger Typen mit großen Bärten, starken Köpfen und aufgestülpten Nasen, von kalmückenhastem Aussehen, in die dunkle moskowitische Uniform gekleidet und mit jenen flachen Kappen versehen, welche so vielen Millionen Menschen heilsamen Respekt einflößen.
    Auf ein Zeichen des Anführers stand die Belle-Roulotte still und Clou, der das Gespann führte, rief seinen Gönner herbei.
    Herr Cascabel erschien an der Thür der ersten Abteilung, gefolgt von seinen Söhnen und seiner Frau. Sie stiegen alle aus, ein wenig beunruhigt durch die Uniformen.
    »Ihre Pässe?« fragte der Beamte auf russisch – eine Sprache, welche Herr Cascabel unter diesen Umständen nur zu gut verstand.
    »Pässe?« wiederholte er.
    »Ja! Es ist nicht gestattet, die Besitzungen des Zars ohne Pässe zu betreten.«
    »Aber wir haben keine, mein lieber Herr,« erwiderte Herr Cascabel höflich.
    »Dann werden Sie nicht weiterfahren!«
    Das war so kurz und deutlich, wie wenn man einem lästigen Besucher die Thür vor der

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