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Cäsar Cascabel

Cäsar Cascabel

Titel: Cäsar Cascabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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fest zugefroren…«
    »Und daher jenes Krachen, das ich noch gestern hörte,« fügte Jean hinzu. »Es rührt offenbar von der ungenügenden Verbindung der Schollen her…«
    »Ja, das ist ein Beweis,« antwortete Herr Sergius; und es giebt noch einen…«
    »Welchen?…« fragte Jean.
    »Einen, der mir nicht minder überzeugend scheint: es ist die Anwesenheit dieser Tausende von Seehunden, welche ihr Instinkt auf die Insel Diomedes getrieben hat. Ohne Zweifel waren diese Tiere auf der Wanderung aus den nördlicheren Seestrichen nach der Beringinsel oder den Aleuten begriffen, als sie irgend ein nahes Unheil witterten. Sie werden gefühlt haben, daß sie nicht auf dem Eisfeld bleiben durften. Bereitet sich unter dem Einfluß der Temperatur ein Umschwung vor, oder droht irgend eine unterseeische Naturerscheinung, welche das Eisfeld unsicher macht? ich weiß es nicht. Aber wenn wir Eile haben, die sibirische Küste zu gewinnen, so werden diese Tiere nicht weniger Eile haben, ihre Rookeries auf der Beringinsel oder den Pribyloffinseln zu erreichen; und wenn sie auf der Insel Diomedes Halt machen, so müssen sie triftige Gründe dazu haben.«
    »Und was ist also ihre Meinung, Herr Sergius?« fragte Herr Cascabel.
    »Meine Meinung ist, daß wir solange hier bleiben sollen, bis die Seehunde uns durch ihren eigenen Aufbruch anzeigen, daß wir ohne Gefahr weiter reisen können.«
    »Teufel!… Das ist ein höllisches Mißgeschick!«
    »Kein sehr ernstes, Vater,« versetzte Jean; »hoffen wir, daß wir nie ein schlimmeres erfahren werden!«
    »Zudem kann dieser Zustand nicht lange anhalten,« fügte Herr Sergius hinzu. »So lange der Winter auch heuer auf sich warten läßt, so sind wir doch bald zu Ende Oktober, und wenngleich das Thermometer augenblicklich auf Null steht, so kann es doch von einem Tage auf den andern um 20 Grad sinken. Sobald der Wind nach Norden umspringt, wird das Eisfeld so zuverlässig wie das Festland sein. Folglich ist es meine wohlerwogene Meinung, daß wir warten sollen, wenn wir nicht zum Aufbruch gezwungen werden.«
    Das war zum mindesten vernünftig. Und so beschloß man denn, daß die Belle-Roulotte solange auf der Insel Diomedes verweilen solle, bis der Übergang über die Meerenge infolge eines intensiven Frostes gefahrlos geworden sei.
    Im Laufe des Tages besichtigten Herr Sergius und Jean einen Teil jener Granitmasse, die ihnen so volle Sicherheit gewährte. Die Insel hatte einen Umfang von drei Kilometern. Selbst im Sommer mußte sie absolut unfruchtbar sein. Eine Anhäufung von Felsen, nichts weiter. Aber trotzdem würde sie eine genügende Unterlage für die Pfeiler der von Frau Cascabel gewünschten Beringsbrücke bilden können, falls die russischen und amerikanischen Ingenieure je daran denken sollten, die beiden Kontinente zu vereinen – im Gegensatze zu dem, was Herr v. Lesseps so gern thut.
    Auf ihrem Spaziergange hüteten die Besucher sich wohl, die Seehunde zu erschrecken. Und dennoch war es augenscheinlich, daß die Gegenwart menschlicher Wesen diese Tiere in einem mindestens eigentümlichen Zustande der Aufregung erhielt. Es waren große Männchen unter ihnen, welche heisere Töne ausstießen und ihre Familien um sich versammelten – meist sehr zahlreiche Familien, denn sie sind Polygamisten und vierzig bis fünfzig ausgewachsene Seehunde erkennen gewöhnlich einen Vater an.
    Diese ziemlich unfreundliche Stimmung beunruhigte Herrn Sergius, besonders als er eine gewisse Neigung der Seehunde bemerkte, sich dem Lager zu nähern. Einzeln waren sie nicht zu fürchten; aber es würde schwer, sogar unmöglich sein, solchen Massen zu widerstehen, wenn ihre Stimmung sie veranlaßte, die Eindringlinge zu vertreiben, welche ihnen den Besitz der Insel Diomedes streitig machten. Auch Jean fiel diese Absonderlichkeit auf, und er und Herr Sergius kehrten ziemlich beunruhigt zurück.
    Der Tag verlief ohne Zwischenfall, nur daß die von Südosten wehende Brise stärker ward. Offenbar war irgend ein großer Sturm im Anzuge, vielleicht einer jener heftigen Polarstürme, die mehrere Tage hindurch wüten, – darauf deutete das jähe Sinken der Barometersäule, die zweiundsiebzig Centigrade aufwies.
     

    Wenn sie uns angreifen, so ist jeder Widerstand nutzlos. (Seite 198.)
     
    Die Nacht ließ sich also sehr schlecht an. Und dazu hatten die Reisenden sich noch kaum ins Innere der Belle-Roulotte zurückgezogen, als ein tausendstimmiges Geheul, über dessen Natur man sich nicht täuschen konnte,

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