Cäsar Cascabel
Jean, von Kayette begleitet, gerade als die schwachen Lichtstrahlen durch den Raum zitterten, sich auf die vordere Spitze der Eistafel begeben.
Laute Rufe dessen, der wachte… (Seite 200.)
Unter dem Jahrmarktsgeräte befand sich ein ziemlich gutes Fernrohr, dessen Clou sich zu bedienen pflegte, um einfältigen Zuschauern den durch einen quer über die Linse gespannten Faden repräsentierten Äquator und die durch im Tubus befindlichen Insekten dargestellten Mondbewohner zu zeigen. Nachdem er dieses Fernrohr sorgfältig gereinigt hatte, hob Jean dasselbe ans Auge, um nach Land auszuspähen.
Er prüfte bereits seit einigen Sekunden aufmerksam den Horizont, als Kayette die Hand gen Norden ausstreckte.
»Herr Sergius,« sagte sie, »ich glaube, ich sehe da drüben… Ist es nicht ein Berg?…«
»Ein Berg?…« entgegnete Jean. »Nein… wahrscheinlich nur ein Eisberg!«
Er richtete sein Fernrohr auf den von der jungen Indianerin bezeichneten Punkt.
»Kayette hat recht!« sagte er gleich darauf.
Und er reichte das Instrument Herrn Sergius, der es seinerseits auf die bezeichnete Stelle richtete.
»Ja!« sagte er. »Es ist sogar ein ziemlich hoher Berg!… Kayette hat sich nicht getäuscht!«
Nach einer neuen Besichtigung konstatierte man, daß sich in nördlicher Richtung, in einer Entfernung von cirka fünf bis sechs Meilen, Land befinden müsse.
Das war eine Thatsache von ungeheurer Wichtigkeit.
»Um von einem so hohen Berge überragt zu werden,« bemerkte Jean, »muß das Land schon eine bedeutende Ausdehnung haben…«
»Allerdings, Jean,« antwortete Herr Sergius, »und sowie wir in die Belle-Roulotte zurückkehren, werden wir die Lage desselben auf der Karte zu finden suchen. Das wird uns ermöglichen, unsere eigene Position zu ermitteln.«
»Jean… es sieht so aus, als ob von diesem Berge Rauch aufstiege,« sagte Kayette.
»Also sollte er ein Vulkan sein?« versetzte Herr Sergius.
»Ja!… ja!…« fügte Jean hinzu, der das Fernrohr wieder ans Auge gesetzt hatte. »Man sieht deutlich Rauch…«
Aber schon begann der Tag zu erlöschen und trotz der Hilfe des Vergrößerungsglases entschwanden die Umrisse des Berges langsam dem Blick.
Hingegen erschien eine Stunde später, als es fast völlig dunkel geworden, ein heller Lichtschein in der Richtung, die man sich vermittelst einer in den Schnee gezogenen Linie gemerkt hatte.
Und alle drei kehrten ins Lager zurück.
»Gehen wir die Karte studieren,« sagte Herr Sergius.
Jean schlug in seinem Atlas die Karte auf, welche die jenseits der Beringstraße gelegenen nördlichen Regionen zur Anschauung brachte, und man stellte folgendes fest.
Da Herr Sergius bereits erkannt hatte, daß einerseits die Strömung, die anfangs nach Norden geflossen war, cirka fünfzig Meilen außerhalb der Meerenge nach Nordwesten abbog, und daß andererseits die Eistafel diese neue Richtung bereits seit Tagen verfolgte, mußte man nachsehen, ob sich im Nordwesten Land befände. In der That zeigte die Karte, etwa zwanzig Meilen vom Festlande entfernt, das Vorhandensein einer großen Insel an, welcher die Geographen den Namen Wrangel-Land beigelegt haben und deren Umrisse auf der Nordseite noch kaum ermittelt sind. Übrigens war es sehr wahrscheinlich, daß die Eistafel nicht daran landen, sondern daß die Strömung sie noch weiter durch den breiten Meerarm tragen werde, der die genannte Insel von der sibirischen Küste trennte.
Herr Sergius hegte keinerlei Zweifel über die Identität des Wrangel-Landes. Dasselbe wird wirklich zwischen dem Hawan-und dem Thomas-Kap von einem thätigen Vulkan beherrscht, der auf den neuesten Karten angegeben ist. Das konnte nur der von Kayette bemerkte Vulkan sein, dessen Schein bei sinkender Nacht sichtbar geworden war.
Daraufhin war es leicht, den von der Eistafel seit ihrem Austritt aus der Beringstraße verfolgten Weg zu erkennen. Die Küste links von sich liegen lassend, hatte sie das Serdtse-Kamen-Kap, die Kolioutchni-Bai, das Vorgebirge Wank-Rem, das Nordkap umschifft; dann war sie in den Long-Kanal geraten, der das Wrangel-Land vom Küstengebiete der Tschuktschenprovinz trennt.
In welche Seestriche würde die Tafel gerissen werden, wenn die Strömung sie durch den Long-Kanal getragen hätte? Unmöglich, das vorauszusehen. Was Herrn Sergius besonders beunruhigen mußte, das war, daß die Karte im Norden kein anderes Land verzeichnet. Die Eisbarriere dehnt sich über jenen ungeheuren Raum aus, dessen Mittelpunkt der Pol
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