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Cäsar läßt grüssen

Cäsar läßt grüssen

Titel: Cäsar läßt grüssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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Volk.
    Vor dem Senat als Einrichtung zeigte er eine erstaunliche Achtung. Er wünschte sogar dessen Vergrößerung auf tausend Mitglieder, die er aus den Provinzen heranzog, um frisches Blut und neue Gedanken einzuführen.
    Er war ein schlauer Kerl. Wer seine naturalistische Büste in der Kopenhagener Glyptothek gesehen hat, diesen von tausend Ackerfurchen durchzogenen Kopf, durchschaut ihn mit einem Blick: ein bauernschlauer Alter, geradlinig, unzugänglich der Schmeichelei, unempfindlich gegen Tadel, ohne jede Eitelkeit, ein Frühaufsteher und Schwarzbrotesser, nicht ungebildet aber amusisch. Bei der Vorstellung, dermaleinst ein »Gott« zu werden, konnte er sich kaum das Lachen verbeißen. Ein kerngesunder Mann. Solche Gestalten findet man auch heute noch. Sie sind in der ersten Generation Bauer, in der zweiten Raiffeisenvorsitzender und in der dritten Generation Präsident der Dresdner Bank.
    T. Flavius Vespasianus stammte vom Lande, aus dem Sabinischen. Sein Vater hatte sich bereits zu einem Kleinstadt-»Bankier« heraufgearbeitet. Der Sohn schlug die Verwaltungs- und dann die Militärlaufbahn ein. Unter Nero, an dessen Freundchen er sich übrigens nie gerächt hat, wurde er General — nicht, weil er dem Kaiser so sympathisch war, im Gegenteil, Vespasian war der einzige, der es wagte, bei einem Gesangsabend Neros einzuschlafen und zu schnarchen. Seine Unbefangenheit war entwaffnend. Nero weinte fast; er warf ihn hinaus, aber er machte ihn zum Feldmarschall.
    Im Juni 79, im Alter von neunundsechzig Jahren, starb Vespasian. Er ließ sich in seiner letzten Minute vom Lager heben und auf die Beine stellen. »Ein Kaiser muß stehend sterben«, sagte er und hielt aus, bis er tot war.

    *

    Ein Bauer, der hinter dem Pflug sterben wollte.
    Wozu das?
    Ja, wozu? So fragen Krämerseelen.
    Wenn zu nichts anderem, dann für seine Söhne. Vielleicht, um ihnen eine Erinnerung zu hinterlassen, die gepfeffert war. Beide hatten es nötig, vor allem der ältere, Titus, dem das Volk mit Hangen und Bangen entgegensah.
    Titus war damals vierzig Jahre alt, ein großer, massiger Mann, dem man die Lebenslust, das Genießen, Essen, Trinken und Lieben ansah. Er war kein Weichling, er schlief unter einer Decke im Lager genau so gut wie auf dem Palatin, er brauchte zwei Tage nichts zu essen, er ritt fünfzig Kilometer in einem Sitz, er konnte auf Frauen pfeifen und sich tagelang in die Vorbereitung einer Schlacht vergraben. Als sein Vater nach Rom ging, hatte er ihm in Kleinasien die Legionen übergeben und eine abscheuliche Aufgabe dazu: die Niederwerfung des großen Judenaufstandes. Die Juden, seit jeher eines der militantesten Völker und assimilationsfremd, hatten die Erhebung gegen Rom gewagt und mit der Niedermetzelung der Garnison von Jerusalem ein Ausrufungszeichen dahinter gesetzt, das bei der Allmacht der Römer selbstmörderisch war. Der Aufstand war mehr als verständlich, die Römer saugten das Land bis aufs Blut aus. Jerusalem mit seinen zyklopischen Mauern widerstand Titus ein halbes Jahr. Dann schleiften die Römer die Stadt und plünderten sie total aus. Ein grober, unangenehmer Militärknoten, dieser Titus. Aber zuverlässig wie eine D-Zuglokomotive.
    War eine Aufgabe, zu der ihn sein Vater bloß mit dem kleinen Finger zu winken brauchte, erledigt, so verwandelte sich Titus in ein Nilpferd. Er sielte sich in allem, was seine dampfende Vitalität befriedigte. Er war auch reich an ausgefallenen Ideen. Die letzte, mit der er seinen Vater überraschte, war sein Wunsch, Königin Berenike zu heiraten. Vespasian schlug das Meyersche Lexikon nach und las: »Berenike, Tochter des jüdischen Königs Herodes Agr. I., Gemahlin ihres Oheims Herodes von Chalkis, dann Geliebte ihres Bruders, dazwischen Gemahlin des Königs Polemon von Kilikien, Geliebte des Titus.« Vespasian winkte milde ab und empfahl seinem Sohn, irgendeine andere Jüdin als Geliebte mitzunehmen. Das tat das Nilpferd.
    Ganz Rom kannte diese Geschichten und fühlte sich höchst unwohl bei dem Gedanken, Titus würde der neue Kaiser werden.
    Nun war er es, und die Römer trauten ihren Augen nicht! Ein maßvoller, disziplinierter, unermüdlich freundlicher Mann stand vor ihnen, der niemals schimpfte, niemals fluchte, jeden anhörte. Der als erster seit Augustus ausgiebig und ohne jeden Schutz durch Rom spazierte, um es sich einmal bei Tage anzusehen, wozu er zuvor nur des Nachts Gelegenheit gehabt hatte. Ein gerechter Mann. Es ist, dachten die Römer, zum

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