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Cäsar läßt grüssen

Cäsar läßt grüssen

Titel: Cäsar läßt grüssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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schön kurz sind.
    Nero war tot. Die Truppen riefen den siebzigjährigen Galba zum ersten wahren Soldatenkaiser aus. Also, an Galba müssen wir uns halten. Schlagen wir nach: »Im Juni 68 als Kaiser anerkannt. Da sich Otho zurückgesetzt fühlte, entfesselte er im Januar 69 einen Prätorianeraufstand, bei dem Galba ermordet wurde.« Galba war das falsche Boot. Also, an Otho müssen wir uns halten. Schlagen wir nach: »Otho, ehemals Neros Vertrauter und erster Gatte der Poppaea, ließ Galba erschlagen und sich zum Kaiser ausrufen. Unter dem Druck der Prätorianer anerkannte ihn der Senat. Im April 69 unterlag er in einem Kampf bei Cremona den Truppen des Vitellius, des Oberbefehlshabers der Germanien-Legionen, und tötete sich.«
    Fort mit Otho! Wer hätte das gedacht! An Vitellius müssen wir uns halten. Schlagen wir nach: »Vitellius, aus vornehmem Geschlecht, verbrachte seine Jugend am Hofe von Tiberius. Als er Otho, den er als Empörer betrachtete, geschlagen hatte, erhob ihn seine Armee zum Kaiser. Der Senat bestätigte ihn. Da er seinen Soldaten aber jede Freiheit zu Gewalttaten und Plünderungen ließ, rief Rom den Befehlshaber der kleinasiatischen Legionen, Vespasian, zu Hilfe. Es kam im Dezember 69 zu einer Schlacht, Rom wurde gestürmt, Kaiser Vitellius gefangen und getötet.« Vitellius war das falsche Boot. Wir müssen zum vier-tenmal umsteigen. Wie heißt der neue Mann? Vespasian?
    Kommen Sie noch mit? Die Römer kamen es spielend. Die Gesellschaft war so verrottet, daß ihr die Erniedrigung des Kaisertums zu einer Art GladiatorenAusscheidungskampf kaum zum Bewußtsein kam. Das einfache Volk von Rom merkte nicht viel von der Unsicherheit des Lebens, und die gehobene Gesellschaft jobbte an der großen Börse. Eine neue Art zu leben; swing high, swing low.
    Wie lange lag die Virtus zurück? Wie lange die Furier, die Fabier, die Scipionen? Zweitausend Jahre? Patrizier, Plebejer, Marius, Cinna, Bürgerkämpfe, Revolutionen? Revolutionen, ja, wofür denn? Rechts, links? Vokabeln aus der Steinzeit! Sozialismus, Volksherrschaft? Andere Worte für das Volk vernebeln, es in Trab halten, benutzen. Ideologie? Marschmusik der Urgroßväter! Wofür? War es wirklich erst hundert Jahre her, daß Caesar nicht gewagt hatte, konservativ zu scheinen?
    Eine völlige Taubheit war ausgebrochen für alles, was noch bis zu Caesar einen Teil der Gedanken bei Tag und bei Nacht ausgemacht und die Unwiderstehlichkeit von Sirenentönen gehabt hatte. Rom war unansprechbar geworden für die abgenutzte, malträtierte Parteipolitik, für Kampf und Aufruhr. Man hatte es ihm gründlich verleidet. Ja, es wußte nicht einmal mehr, was das war. Demagogien setzen ein Kollektivleben mit Kollektivinteressen voraus. Das gab es nicht mehr. Es gab nur noch Individualleben. Man strebte einzeln, man plante einzeln, man hoffte einzeln, man spielte sein Los einzeln. Die Zusammenrottungen fanden nur noch im Bett und im Circus statt. Was waren die Kaiser anderes, als nicht mehr wegzudenkende Gewinn-auszahler? Faites votre jeu! Wer wünschte die Schließung des riesigen Spielkasinos?
    Niemand.
    Den Ernst des Lebens gab es noch. Er lag außerhalb der Stadtmauern. Rom war ein Parasit des Imperiums geworden. Faites votre jeu für die Gesellschaft, panem et circenses für die Masse.

    *

    Mit Vespasian hatte sich ein ehrlicher Croupier an den Tisch gesetzt. Er zahlte aus, aber er strich auch eisern ein. Nero hatte den Fiskus ruiniert, Vitellius den Rest vergeudet. Vespasian fing mit Null an. Er scheute sich nicht, auch vom kleinen Mann zu kassieren. Da er es aber mit bäuerlicher Verschmitztheit tat und sich verrückte Dinge einfallen ließ, lachte das Volk und zog das Beutelchen. Vespasian war es, der zum erstenmal von jedem, der zum Pipimachen eine der öffentlichen Zellen benutzte, Eintrittsgeld verlangte. Als sein Sohn Titus errötend »Aber Papa!« sagte, antwortete der Alte ihm mit einem Wort, das berühmt werden sollte: »non olet« — Geld stinkt nicht. Die Alexandriner nannten ihn »das Groschengrab«.
    Sobald die Kasse wieder stimmte, zeigte er sich generös. Das goldene Haus Neros ließ er einreißen; an seine Stelle baute er für das Volk das größte Amphitheater der Welt: das Colosseum. Er ließ die niedergebrannte Stadt wieder aufbauen, unterstützte die Schwerbetroffenen, schaffte den Luxus der Hofhaltung ab, verkloppte die angehäuften Preziosen seiner Vorgänger und stopfte so peu a peu vierzig Milliarden Sesterzen in den Staat und das

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