Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cäsar läßt grüssen

Cäsar läßt grüssen

Titel: Cäsar läßt grüssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
Vom Netzwerk:
vorzustellen, der Rom herrlichen Zeiten entgegenführen würde: seinen siebzehnjährigen Schüler Lucius Domitius Nero Claudius Caesar Augustus Germanicus — den »Nero«.

    *

    Dreizehn Jahre lang hatte Claudius regiert. Vierzehn hielt sich Nero. Eine lange Zeit. Nicht wahr: gefühlsmäßig hätte man gesagt, vier, fünf Jahre. Man erinnert sich an seinen ausbrechenden Wahnsinn, an den Brand Roms und an seinen Selbstmord als raschen Ablauf eines wirren Films. Aber es dauerte in Wahrheit lange, so lange, daß eine halbe Generation wieder umsonst gelebt hatte. Zumindest in Rom.
    Nero begann nicht schlecht, er begann nämlich überhaupt nicht. Die Reichsverwaltung lief von selbst, und das kaiserliche Kabinett leitete Philosoph Seneca, jener zwielichtige Mann, der so viele schöne Gedanken ausgesprochen und so viele häßliche Facts vorexerziert hat. Jedoch, er richtete kein Unheil an. Die ersten zwei Jahre verliefen »glücklich«, wenn man von so kleinen Schönheitsfehlern absieht wie der Ermordung des Claudiussohnes, der vom Vater als Nachfolger nominiert gewesen war.
    Um das Jahr 55/56 zeigten sich die ersten Anzeichen des Wahnsinns. Nero entdeckte seine Göttlichkeit. Er geriet in einen Höhenrausch. Zunächst befreite er sich von seinen Vormündern; Seneca schmiß er raus, den Präfekten Burrus ließ er töten. Dann war seine Mutter (»herrlichste aller Mütter«, offizieller Titel) dran, denn sie wollte unvorsichtigerweise an Macht ernten, was sie gesät hatte, und schließlich war seine Gemahlin an der Reihe, die sanfte Claudiustochter, die er vorsichtshalber geheiratet hatte. Beide Frauen gingen sehenden Auges und gefaßt in den Tod. Nero heiratete die bildhübsche aber schrecklich ordinäre Poppaea, deren Gatte Otho (bisher sein Kumpan) nach Portugal abgeschoben wurde. Poppaea starb später unter den Fußtritten, die Nero in einem Wutanfall der Hochschwangeren in den Bauch versetzte.
    Die Stationen folgen jetzt rasch aufeinander.
    64 n. Chr. Brand Roms. Zweidrittel der Stadt in Schutt und Asche. Das Volk bezichtigte den verrückten Tyrannen der Brandstiftung (wahrscheinlich zu Unrecht), und Nero lenkte in heller Angst — er war unbeschreiblich feige — den Verdacht auf eine Sekte, die sich in letzter Zeit in Rom ausgebreitet hatte und sich »Christen« nannte. Es waren jene Leute, die sich, wie man hörte, zu einem gewissen Jesus von Nazareth bekannten. Soweit man ihrer habhaft werden konnte, wurden sie verhaftet und zu Tode gemartert. Die heroische Urgemeinde bestand ihre erste Märtyrerprobe!
    65 scheiterte ein Anschlag gegen Nero. Die geschwätzigen Verschwörer büßten es mit dem Tode; auch Seneca.
    Im gleichen Jahre begann Nero mit dem Bau eines goldenen Palastes für sich. Der Staatshaushalt geriet an den Rand des Bankrotts.
    66 reiste Nero nach dem Osten, dem Land seiner Träume, um sich als größter Dichter und Sänger aller Zeiten feiern zu lassen. Bei dieser Gelegenheit entließ er Griechenland aus dem römischen Staatsverband. (Hier verstanden die Generäle nun keinen Spaß mehr.)
    67 erhoben sich die Legionen gegen ihn, zuerst die spanischen unter ihrem greisen General Galba aus dem altpatrizischen Geschlecht der Sulpizier. Der Aufstand griff wie ein Lauffeuer um sich.
    68 schwenkten auch die Prätorianer, um ihre edle Haut zu retten, um. Der Senat nahm daraufhin all seinen kümmerlichen Mut zusammen und erklärte Nero für abgesetzt und vogelfrei. Angesichts einer Kompanie Soldaten, die ihn gestellt hatten, beging Nero, vollständig wirr und entnervt, Selbstmord.
    So endete der letzte des mörderischen julisch-claudischen Hauses.
    Die Ähnlichkeit mit Caligula drängt sich auf, aber sie ist in Wahrheit nicht groß. Heute weiß man, daß Nero im Gegensatz zu dem Verbrecher Caligula ein infantiler Paranoiker 8 war. Nero lebte in einem albernen, für die Umwelt nur bedingt gefährlichen Kinderwahn. Die Wahrheit ist, daß er ohne die Möglichkeiten der Macht nichts weiter als ein Don Quixote, eine lächerliche, vielleicht gelegentlich rabiate Figur eines verkannten Genies geworden wäre. Vieles deutet darauf hin, daß er wirklich ein begabter Künstler war. Friede seiner Asche, Tod seinen Kreaturen.

    *

    Die Kreaturen mußten nun hurtig umsteigen. Und wir wollen ihnen folgen, um an Hand dieses Jahres 68/69 einmal zu sehen, in welches Boot wir klettern müssen, um im richtigen zu sitzen; denn das ist das Lebensziel einer echten Kreatur. Wir wollen dazu ein Lexikon zu Rate ziehen, weil Lexika so

Weitere Kostenlose Bücher