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Cäsar läßt grüssen

Cäsar läßt grüssen

Titel: Cäsar läßt grüssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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sich einmietete. Daneben war sie gefährlich wie ein Satan, wenn sie Widerstand fand oder Feindseligkeit witterte. Man hat nach ihrem Tode gefälschte Unterschriften des Kaisers gefunden, mit denen sie Frauen, die sie haßte, oder Männer, die sie fürchtete, aus dem Wege räumen ließ.
    Eines Tages, als Claudius in Ostia war, feierte sie öffentlich und nach allen gültigen Riten Hochzeit mit einem ihrer Geliebten. Rom, viel gewohnt, war denn doch recht schockiert. Unvorsichtigerweise ließ Messa-lina dabei auch die Bemerkung fallen, der Herr an ihrer Seite sei der künftige Kaiser.
    Als Claudius zurückkehrte, mußte Narcissus einen schweren Gang tun — seinen Herrn um die Unterschrift unter das Todesurteil Messalinas bitten.
    Claudius hatte zwei Kinder von ihr, eine sanftmütige schöne Tochter und einen sanftmütigen Knaben. Die Hand verweigerte ihm den Dienst, er wollte verzeihen. Aber der Kanzler war unerbittlich, es ging um das Leben des Kaisers. 48 n. Chr., nach sieben höllischen Jahren, wurde Valeria Messalina hingerichtet.
    Narcissus und Pallas rieten zu einer Wiederverheiratung, um die Erinnerung an die unwürdige Kaiserin auszulöschen. Die Wahl fiel nach Überlegungen, die uns rätselhaft sind, auf eine Angehörige des Claudischen Hauses selbst, auf die damals über dreißig Jahre alte Julia Agrippina, eine Schwester Caligulas! Wen die Götter verderben wollen, den schlagen sie mit Blindheit.
    Wahrscheinlich hat sie selbst die Weichen gestellt. Die Heirat mit dem Onkel, der so überraschend der Herr des Imperiums geworden war, scheint ein lang vorbereitetes Ziel gewesen zu sein. Sie war äußerlich imponierend, von sehr regelmäßigem Antlitz, sehr ruhig und beherrscht im Benehmen, und nichts verriet den Vulkan männlicher Leidenschaften, der in ihr brannte. Hat Narcissus nicht gewußt, daß sie, ungeachtet ihrer ersten Ehe, mit ihrem Bruder in Blutschande und völliger geistiger Übereinstimmung gelebt hatte? Oder war für den so oft verwundeten und zum Voyeur gedemütigten Claudius gerade das ein Triumph? Es ist sehr gut möglich. Jedenfalls wurde das stille tiefe Wasser Julia Agrippina sein Untergang. Der Rest ist so banal wie scheußlich.
    Sie hat Claudius verachtet. Er war ihr nicht mehr als irgendein tierisches Lebewesen. Sie hielt ihn für einen Kretin und sich selbst für hoch über ihm stehend. Natürlich hat sie an den Mumpitz ihres Bruders mit der Vergöttlichung seiner Schwestern nicht geglaubt, aber ihre männliche Renaissancenatur sah in der Strapazierfähigkeit eines Beines die unerläßliche Voraussetzung für einen Anspruch auf Vollwertigkeit. Claudius hatte ihn in ihren Augen nicht. Sie besaß aus ihrer ersten Ehe mit einem Herrn Domitius ein Kind, einen pausbäckigen Knaben, der inzwischen ein pausbäckiger, musischer, singender, dichtender, tanzender, musizierender Jüngling geworden war; ihn liebte sie bis zur krankhaften Übersteigerung — — vielleicht liebte sie in ihm die eigenen zukünftigen Machtmöglichkeiten noch mehr. Beide Triebe beherrschten sie vom ersten Augenblick an, wo sie den Entschluß faßte, ihr Kind auf den Thron zu bringen.
    Der erste Schritt war einfach. Nur bei Narcissus erregte er Verdacht. Julia Agrippina bewog Claudius, den Beatle-Knaben zu adoptieren. Damit war nach römischem Recht und römischer Anschauung der Jüngling ein rechtmäßiger Sohn des Kaisers geworden. Mit Schrecken sah Narcissus, daß dieser »Sohn« jetzt vor dem leiblichen des Kaisers rangierte, denn er war der ältere. Julia Agrippina sorgte dafür, daß Rom nur noch von ihm als Erben sprach.
    Eines Tages (im Oktober 54) war es wieder einmal so weit. Der Kanzler hatte sichere Nachricht, daß Julia Agrippina den zweiten Schritt vorbereitete: die Ermordung ihres Gatten. Narcissus suchte seinen Herrn auf und unterbreitete ihm, was er wußte. Claudius wand sich verzweifelt in seinem Glauben an die Menschen, er klammerte sich an sein Vertrauen wie ein Ertrinkender. Narcissus warnte. Er vermutete den Schlag schon für die nächsten Tage. Claudius bat zu warten, nur eine kleine Frist noch, nur eine kleine Hoffnung noch...
    Am nächsten Tage war er tot.
    Narcissus hatte ein Giftattentat in einem Getränk erwartet und Vorkehrungen getroffen. Falsch. Agrippina hatte Pilze gewählt.
    Ein paar Zimmer weiter spitzte Philosoph Seneca bereits die Feder, um der Nachwelt in seiner Schrift »Verkürbissung« ein Zerrbild des blöden Kaisers Claudius zu zeichnen und der Mitwelt den neuen Imperator

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