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Cäsar läßt grüssen

Cäsar läßt grüssen

Titel: Cäsar läßt grüssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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einen Seekrieg zu verwandeln. Daraufhin lag für die Römer nichts näher, als die Seeschlacht wiederum in eine Landschlacht zu verwandeln. Die einzigen Kampfmethoden der antiken Seeschlacht bestanden bisher im Rammen oder Ruderabrasieren oder Feuerwerfen. Die Erfindung der Römer bestand nun darin, sich in sechs oder sieben Metern Entfernung seitlich an das feindliche Schiff zu bringen (was in den Augen der Karthager nichts anderes war als der gescheiterte Versuch, die Ruder abzurasieren), sodann eine breite Holzbrücke mit Enterhaken hinüberzuschlagen und nun ordnungsgemäß, sozusagen mit Musik, kompanieweise hinüber zu marschieren und einen normalen Landkampf auszutragen. Der Anblick muß herzzerbrechend gewesen sein. Auf der einen Seite Seeleute, kaum bewaffnet, mit nacktem Oberkörper, schweißgebadet, auf nichts bedacht, als mit dem riesigen Schiff zu manövrieren. Auf römischer Seite schwerbewaffnete, gepanzerte Abteilungen, die von ihrem inferioren, miserabel geführten Schiff einfach herübermarschierten. Es war ein jeder Piratenromantik entkleidetes Entern en gros.
    Zu lange schon hatten die Karthager wie die Wespen gestichelt, einmal im Norden, einmal im Süden die Küsten Italiens angesegelt, Orte vernichtet, Land verwüstet, ziemlich sorglos, daß etwas passieren könnte. Aber nun, 260, im vierten Kriegsjahr, stellten die Römer bei Mylae vor Sizilien die punische Flotte und erenterten sich tatsächlich mit ihrem primitiven Einfall den Sieg.
    Rom jubelte. Auch die späteren römischen Geschichtsschreiber haben aus Mylae einen fast mystischen Triumph der Kriegskunst und einen entscheidenden Sieg gemacht. Beides war Mylae nicht. Der Fortgang des Krieges beweist es. Erstens ging er weiter, und zweitens bezogen die Römer, als sie nun sogar Afrika anzugreifen wagten, eine bedenklich schwere Schlappe. Die Expedition kehrte nicht heim. In fünf Jahren gingen vier römische Flotten zugrunde. Also nichts da von mystischem Triumph.
    Der Krieg schleppte sich weiter hin. Zehn Jahre nach dem afrikanischen Abenteuer waren die Römer so weit, jeden Frieden anzunehmen. Das war genau der Zeitpunkt, als sie aus Karthago läuten hörten, dort stünde es genau so.
    Der Senat warf sofort das Steuer herum. Die Patrizier brachten privat noch einmal unter Anspannung aller Kräfte die Gelder auf, um auf den Werften an der ganzen tyrrhenischen Küste in höchster Eile neue Schiffe bauen zu lassen, zweihundert imponierende Kästen nach dem Modell eines gestrandeten punischen Fünfruderers.
    Im Jahre 241 war die Armada fertig und machte sich auf den Weg — nicht nach Afrika, sondern auf die Suche nach dem Rest der punischen Flotte, die das Heer in Sizilien versorgte. Man traf sie bei den Aegatischen Inseln und schlug sie mit der neuen Taktik vernichtend. Hamilkar Barkas, Vater Hannibals, Karthagos unbesiegter Feldherr in Sizilien, traf das undankbare Schicksal, das Friedensdiktat entgegennehmen zu müssen. Der römische Konsul war milde, das römische Volk nicht. Es zerriß den Vorvertrag und diktierte sein Versailles. Karthago trat Sizilien ab, die Liparischen Inseln, etwas später auch Korsika und Sardinien, lieferte das in Afrika noch gefangene Heer mit dem unglücklichen Konsul aus und zahlte eine Reparation — ach, das Wort kennen wir gut — von dreitausendzweihundert Talenten. Es ist müßig, sich auszurechnen, wieviel das war. Ganz gewiß die Grenze.
    Der Grundstein zum zweiten Punischen Krieg war gelegt.
    Aber sagen Sie das mal einem Clemenceau.

    *

    Die Generation, die zu dieser Zeit das Licht der Sonne erblickte, wuchs in ganz neuen Vorstellungen auf. In ihren Köpfen war die Welt, war alles schon immer so gewesen, war Rom seit ewigen Zeiten die Beherrscherin Italiens, Siziliens und der Meere, es hatte immer so ausgesehen wie jetzt, eine schöne, turbulente Stadt mit mehreren hunderttausend Einwohnern, die sich nicht mehr wie früher einzeln kannten und beim Namen riefen, mit Mietshäusern, mit dem vertrauten Fleischerladen und Bäcker gleich links um die Ecke rum und dem Friseur, der »schon ewig« rechts um die Ecke wohnte, mit großen Manufakturen draußen vor dem weiten Mauerring, mit Kurierwagen und schnellen Straßen durch das ganze Land, mit hörigen Völkerschaften, die irgendwo, Tagereisen entfernt, lebten und ehrfürchtig erstarrten, wenn sie das »SPQR« sahen, die Insignien Roms * , der herrlichen, mächtigen Wölfin am Tiber; oder wenn die Kohorten klirrend in die Garnisonen einzogen, oder die

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