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Cäsar läßt grüssen

Cäsar läßt grüssen

Titel: Cäsar läßt grüssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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Entscheidung. Sie fiel in zwei aufeinanderfolgenden Schlachten bei Philippi. Die erste Schlacht verlief unentschieden. Antonius war kein Feldherr von Gottes Gnaden, hätte aber vielleicht dennoch gesiegt, wenn Octavian, der einen Flügel befehligte, nicht eine solche militärische Flasche gewesen wäre. Er floh sogar. Wieder einmal.
    Auch auf der Gegenseite standen keine Genies. Cassius, dessen Truppe den Antonius auf dem Halse hatte, besaß so wenig Überblick über die Gesamtlage, daß er sich besiegt glaubte und Selbstmord beging. Aber auch Antonius glaubte sich, als Octavian schreckensbleich angerannt kam, geschlagen — kurzum, es war eine Orgie von Dilettantismus.
    Brutus, allein geblieben, wußte ebenfalls nicht, was ein Caesar oder ein Pompeius in solcher Lage getan hätten. Er wartete, bis Antonius noch einmal auf ihn stieß, und gab sich, als die Schlacht eine schlimme Wendung nahm, wie Cassius den Tod.
    Als genialer Feldherr und unwiderstehlicher Held kehrte Antonius heim. Rom staunte; wer hätte das gedacht! Schau, schau! Von Octavian war nicht weiter die Rede. Unauffällig und gern verschwand er während des ersten Trubels in seinem bescheidenen Hause an der »Stiegengasse der Ringschmiede«.
    In Rom gab es nur noch einen Herrn und Gebieter: Antonius. Er übte die reine Militärdiktatur aus, ohne politische Linie, ohne Weltanschauung, ohne ethische Ziele. So, wie man des Morgens die Post aufschlitzt und erledigt, so wurden die anfallenden Fragen entschieden. Die Bürger hatten nur einen einzigen Wunsch: nicht ebenfalls eine anfallende Frage zu werden. Man verkroch sich, hielt den Atem an und betete, Caesar möge wiederkommen. Jetzt verfluchte man wirklich seine Mörder, deren Sieg bei Philippi auch keine anderen Zeiten gebracht hätte; eine Ansicht, die die heutigen Historiker erstaunlicherweise teilen. In der Tat: Rom bekam seine dritten Zähne; dabei war es gleichgültig, ob von den letzten echten zuerst die linken oder die rechten ausfielen. Die einen wie die anderen unnütz. Aber, wie sollte es weitergehen? Wäre in diesem Augenblick ein Spartakus aufgestanden oder ein Brennus oder ein Vercingetorix, so würde Rom untergegangen sein.
    Also, wie sollte es weitergehen? Nicht wahr: Man wird geradezu unruhig bei dem Gedanken, wie das Schicksal es noch hinkriegen soll, diesen mißkreditierten, unqualifizierten Jämmerling Octavian in Kürze zum Herrn der Welt zu machen? Im Augenblick hätte Antonius ihn mit zwei Fingern zerdrücken können.
    Daß er es nicht tat, soll daran gelegen haben, daß »die Aufgaben des Reiches zu mannigfaltig waren, um von einer einzigen Stelle aus wahrgenommen zu werden.« Das ist ja das Allerneueste! Die Konsuln haben es gekonnt, Caesar konnte es, Augustus später konnte es, alle. Nein, der Grund war ein anderer, er läßt sich aus den Handlungen des Antonius leicht ablesen: Der Herr war der Arbeit müde und wollte jetzt ernten. Er teilte das Imperium in drei Herrschaftsbereiche und nahm sich — typisch — den Orient, fern ab von den Geschäften Roms. Der prunkvolle, schläfrige, reiche Orient war das gegebene Bett für einen großherrlichen Pensionär. Dort war — solange man Rom Rom sein ließ — nichts aktuell, nichts brennend, nichts drohend. Dort war man Pascha mit sechs Roß-Schweifen — ungerechnet seines eigenen. Schön-Antonius war erst vierzig Jahre alt. Lepidus »erhielt« Afrika. Brummig und nichts mehr begreifend dampfte er ab, möglichst rasch, ehe die beiden anderen sich vielleicht eines Schlimmeren besannen und ihm die Regentschaft in Rom aufhalsten.
    Die blasse Viper Octavian blieb in Italien zurück. Nominell sprach Antonius ihm die Statthalterschaft in Spanien zu; aber da einer der Triumvirn in Rom sein mußte, war es notgedrungen Octavian. Antonius sah keine Gefahr darin. Er hinterließ ihm als Kuckuckseier noch die schier unlösbare Aufgabe, hundertachtzigtausend Veteranen zu versorgen und mit dem Sohn des Pompeius fertig zu werden, der immer noch und ungerührt vom Ende des Brutus und Cassius mit einer demokratisch gesinnten Flotte in Sizilien saß und sich guter Gesundheit erfreute.
    So glaubte Antonius alles aufs beste geordnet und begab sich wehenden Mantels in den Orient. Er hatte sich Tarsos ausgesucht, eine hübsche Stadt an der kleinasiatischen Küste gegenüber Cypern. Eine Generation später wurde dort der Rabbi und Teppichweber Scha’ul-Paulus geboren.
    Eine der ersten Handlungen, die Seine Herrlichkeit Antonius in Tarsos vornahm, war,

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