Cäsar läßt grüssen
Kleopatra vor seinen Thron zu zitieren, auf daß sich diese ägyptische Null, dieses »Nichts vor Römeraugen« wegen ihrer Unterstützung des Cassius verantworte.
Das kluge Mädchen ahnte, was wir auch ahnen: daß sie nicht verurteilt, sondern besichtigt werden sollte. Sie zog daher ihr Blauseidenes an und machte sich auf den achthundert Kilometer langen Weg.
Als Pharaonin, als Geliebte Caesars und Mutter des Caesarion wußte sie, was sie sich schuldig war: sie reiste auf dem Reichsprunkschiff mit purpurnen Segeln (pro Quadratmeter zweitausend Denare) und goldenem Thron. Dem Römer fielen fast die Augen aus dem Kopf. Der Prozeß wurde, wie so vieles in der Welt, im Himmelbett von Alexandria entschieden, wo Antonius den Rest seines Lebens als Austrägler zuzubringen beschloß.
*
Das eine der beiden Kuckuckseier, die Octavian vorfand, erledigte sich auf einfache Weise. Die Versorgung der Veteranen, zu der er sich gänzlich unfähig zeigte oder vielleicht auch zeigen wollte, nahmen die alten Landsknechte selbst in die Hand, indem sie Höfe und Häuser auf dem Lande einfach requirierten. Es löste viel Ärger aus, auch für ihn. Weiteren unerwarteten Ärger bereiteten ihm Frau Antonius, die Dame Fulvia, sowie der jüngere Bruder des Antonius, die beide in Rom zurückgeblieben waren und auf eigene Faust Politik machten. Fulvia haßte den Caesarjüngling wie die Pest. Erstens war sie die Tochter eines streng sozialistischen Hauses, zweitens war sie die Frau des Antonius, drittens war sie die Witwe des Anarchisten Clodius, den Caesar gleichgültig hatte untergehen lassen, viertens war ihre Tochter Clodia die erste Frau des blutjungen Octavian gewesen, und Octavian hatte sie ihr unberührt mit bestem Dank zurückgeschickt. Sie spie Feuer, wenn sie nur den Namen Octavian hörte.
Ihre Idee war, Octavian zu Handlungen zu provozieren, die Antonius zwingen mußten, zurückzukehren und offen gegen den Caesarsprößling vorzugehen. Bei diesem lebensgefährlichen Spielchen mit der Viper zeigte sich Fulvia ihrem Schwager weit überlegen — wie der Skrupellosere immer der Überlegene ist. Fulvia ging sogar so weit, das Leben des Antoniusbruders als Köder auszuwerfen. Ihre Rechnung ging anfangs tadellos auf, es kam zum offenen Kriegsausbruch zwischen den beiden Männern, nur in einem Punkte verrechnete sie sich: als Octavian seinen Gegner erwischte, ließ er ihn nicht über die Klinge springen. Immerhin, das alles waren alarmierende Nachrichten für Antonius in Alexandria. Der Bruder gefangen, die Flotte des Sextus Pompeius vor Ostia, die Getreidezufuhr gesperrt — er riß sich von Kleopatra los, bestieg fluchend ein Schiff und brauste ab.
Als er mit seinem Kontingent in Brundisium landen wollte, fand er den Hafen versperrt: An Land standen Truppen Octavians mit blanker Waffe. Schöne Überraschung!
Noch einmal erwachte Antonius’ alter Kampfgeist, seine Wut, sein gefürchteter Jähzorn, und er beschloß, mit dem Bengel Octavian ein Ende zu machen. Wenn er auch kein Feldherrngenie war, so war er dem Jungen immer noch hoch überlegen.
In diesem Augenblick hing Octavians Schicksal an einem seidenen Faden.
Der tote Caesar rettete ihn. Dessen alte Soldaten waren es, die da auf beiden Seiten standen, alte Kameraden; sie hätten sich mit Namen anrufen können; Väter standen hier, Söhne dort — zum erstenmal revoltierten die Legionen, warfen die Schwerter in die Scheide zurück und verlangten den Frieden. Sie schickten alte Feldwebel zu den Offizieren und alte Offiziere zu den Generälen, und die Generäle, selbst angewidert von den Machtkämpfen, begaben sich zu den beiden Triumvirn und »rieten« (wobei sie mit einer Handbewegung auf die sitzstreikenden Soldaten wiesen) zu einer Aussprache zwischen Antonius und Octavian.
Es war das erste und, soviel ich weiß, letzte Mal in der Geschichte der Menschheit, daß zwei Armeen für den Frieden streikten.
Die Zusammenkunft fand tatsächlich statt und verlief dank der Vermittlung des aufrichtigen, gemütlichen Maecenas, der seinen Freund Octavian begleitete, verhältnismäßig gut. Octavian selbst war aalglatt und liebenswürdig, Antonius resigniert. An Staatspolitik dachte er längst nicht mehr. Die berühmte Deutung, hier habe der Kosmopolit dem Nationalisten, der Hellenist dem Stadtrömer gegenübergestanden, ist ein geistreiches aber frommes Märchen. Antonius wollte seine Ruhe. Er war sogar bereit, den anderen Störenfried, den hochverräterischen Pompeiussohn, auf
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