Cäsar
dürfe Rom nicht vor dem Triumph betreten, der Anwärter aufs Konsulat müsse sich aber persönlich in Rom bewerben. Caesar habe also auf den Triumph verzichtet.
»Und dann«, sagte Catullus mit finsterer Miene, »hat er das dreiköpfige Ungeheuer erschaffen.«
»Caesar hat den Streit zwischen Pompeius und Crassus beendet und sich mit ihnen verbündet. Wahrscheinlich haben sie ihn zuerst nicht richtig ernstgenommen; ich nehme an, das hat sich geändert.«
»Crassus ist über das Ernstnehmen und Ernstgenommenwerden hinaus; möge er für seine Dummheit lange in der Unterwelt schmachten.« Catullus wandte den Kopf zur Seite und spuckte aus; Aurelius verzichtete darauf, nachzusehen, ob der Speichel blutig war.
»Sie haben ihn natürlich gestützt«, sagte er. »Er wurde Konsul und hat ein paar Gesetze durchgebracht, die den Optimaten nicht geschmeckt haben. Verteilung von Ackerland an Besitzlose, derlei. Er hat seine Tochter Iulia, aus der Ehe mit Cornelia, mit Pompeius verheiratet und dafür gesorgt, daß Clodius, Fürsprecher der Niedrigen, Volkstribun wurde. Der wiederum hat es geschafft, Cicero wegen der Hinrichtungen von Catilinas Mitverschwörern in die Verbannung zu schikken und Cato mit der Verwaltung von Zypern zu knebeln. Damit waren die beiden wichtigsten Gegner von Caesar, aber auch - jedenfalls damals - von Pompeius und Crassus, aus Rom entfernt.«
»Und den Rest kennen wir ja«, sagte Catullus. »Das dreiköpfige Ungeheuer verteilt die Provinzen und bestimmt, wer in den nächsten Jahren Konsul wird.«
Sie schwiegen eine Weile; Catullus nutzte es aus, um desto gründlicher zu trinken.
Orgetorix spielte mit seinem Becher; plötzlich sagte er:
»Diese Krankheit… Er ist ja zäh und schont sich nicht, aber weiß man in Rom oder an anderen Orten mehr über das, was wir ›den Kuß der Götter‹ nennen?«
»Kuß der Götter? Brrrr.« Catullus schüttelte sich. »Schickt mir zum Küssen schöne Frauen, aber doch keine Götter!«
Aurelius hob die Schultern. »Ich habe es zweimal gesehen. Einmal in Hispanien, im Lager bei Corduba, und einmal in Germanien. Ich glaube, er kann meistens spüren, wenn es kommt, und sich dann rechtzeitig zurückziehen. Aber ich weiß auch nicht, was es ist. Weißt du mehr, Poet?«
»Die Ärzte nennen es epilepsia. Alexander soll sie auch gehabt haben, diese Fallsucht.« Catullus rümpfte die Nase. »Man sagt, bei einem Anfall, oder unmittelbar davor, hat man ähnliche Empfindungen wie bei einer Heimsuchung oder Offenbarung durch Götter. Ich verzichte gern.«
»Wird er daran sterben?« Der Gallier klang besorgt.
»Trinken wir darauf, daß er noch eine Weile lebt. Ah, Catullus, du nicht? Dann laßt uns darauf trinken, daß wir nicht verloren mitten in Gallien sitzen, wenn er stirbt.«
Der Herbst war noch nicht zu Ende, als Kalypso eintraf. Sie kam mit nur einer Sklavin.
»Die anderen habe ich freigelassen, den Reisewagen verkauft«, sagte sie. »Die Straßen hier sind besser zum Reiten.«
Sie legte die Arme um Aurelius‘ Hals und setzte leiser hinzu:
»Alles, was ich außerhalb Roms besitze, ist hier. Und alles gehört dir. Vorläufig.«
Dies »vorläufig« und die Verschlechterung des Zustands von Catullus waren die einzigen Minderungen für Aurelius. Sonst wähnte er sich gewissermaßen auf der Insel der Seligen. Die Frau, die er liebte, teilte seine Tage und Nächte; er hatte zwei Freunde, für lange spöttische Gespräche, auch wenn einer von ihnen immer mehr hustete; er hatte eine Aufgabe, die wichtig war, aber nicht allzu schwer. Manchmal lag er nachts wach, atmete Kalypsos Duft, lauschte ihren ruhigen Atemzügen und fragte sich, ob ihn die Götter auszeichnen wollten. Oder ob sie ihn einfach vergessen hatten.
Eines Abends war Catullus nicht da, als sie sich zum Mahl niederließen. Er erschien spät, ziemlich betrunken und zerzaust.
Nachdem er einen Becher geleert hatte, verneigte er sich vor Kalypso und sagte mit schwerer Zunge: »Holdeste, es gibt eine Sache unter Männern zu bereden. Magst du uns entschuldigen?«
Dann deutete er auf Orgetorix und Aurelius und ging zur Tür. Sie ließen Kalypso mit den Offizieren und Dienern zurück.
Draußen starrte Catullus, den Kopf in den Nacken gelegt, in den klaren kalten Frühwinterhimmel. »Ich habe mit den Alten geredet«, sagte er ohne jede Betonung.
»Welchen Alten?«
»Gallier. Druiden, Orgetorix.«
»Hier gibt es keine mehr.«
»Doch. Aber nur ein verrückter, betrunkener Dichter kann sie
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