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Cäsar

Cäsar

Titel: Cäsar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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finden. Sie haben mir gesagt, wohin ich gehen soll.«
    Aurelius packte ihn an den Schultern und schüttelte ihn.
    »Gehen? Wieso gehen? Was soll das?«
    Zwei Tagesritte entfernt, sagte Catullus, gebe es ein altes Heiligtum, einen Hügel mit stehenden Steinen und einer Verbindung zur Anderwelt der Gallier, »die unsere Unterwelt sein mag. Oder nicht, aber das ist gleich.« Dorthin wolle er reiten, und da es sein letzter Ritt sei, erbitte er die Begleitung der beiden Freunde.
    Es gab keine dringenden Angelegenheiten zu regeln. Aurelius übergab die Befehlsgewalt dem dienstältesten der Tribunen, Lucius Pertinax, und küßte Kalypso.
    »Vier Tage«, sagte er, »dann sind wir wieder hier.«
    Sie hatte eine Weile mit Catullus geredet, ohne Zeugen; nun legte sie die Hand flach auf Aurelius‘ Brust. »Ich kann ihn gut verstehen«, sagte sie. »Besser, selber gehen als getragen werden. Aber ich muß nicht dabeisein. Ich warte auf dich.«
    Das Land war weitgehend friedlich; vorsichtshalber nahm Aurelius zwei turmae numidischer Reiter mit. Am Abend des zweiten Tages erreichten sie den heiligen Hain auf einem Hügel. Vier Steine standen dort, und unter einer gewaltigen Steinplatte mochte der Weg in die Unterwelt beginnen.
    »Beschafft mehr Brennholz und wartet da vorn«, sagte Aurelius.
    Die Numider bauten Zelte auf; einige hielten Wache bei den Pferden, andere verschwanden im nahen Wald.
    Catullus starrte in den wolkigen Abendhimmel; dann schien er die Zelte zu zählen und die Pferde, die neben der Wasserstelle grasten.
    Mit einem sichtbaren Ruck riß er sich von alldem los.
    »Hast du die Gedichte mitgebracht?« sagte er.
    Aurelius nickte und klopfte auf die Tasche seines Reiseumhangs.
    »Gut. Orgetorix, Aurelius - ihr wart die beste Begleitung, die sich ein müder Mann für die letzten Wege wünschen kann. Wenn es die Anderwelt gibt, werde ich euch dort vermissen und auf euch warten. Bleibt bis zum Morgen, ja?«
    Er umarmte beide; allein ging er zwischen die stehenden Steine ins Zwielicht des Abends.
    Die Numider hatten mit den kargen mitgebrachten Holzvorräten ein kleines Feuer gemacht. Das Flackern reichte nicht aus, um die Stelle zwischen den Steinen zu erhellen, aber hin und wieder war es, als leckten Lichtzungen Schneisen ins Halbdunkel. Aurelius und Orgetorix blieben am Rand der Hügelkuppe stehen. Sie sahen, wie Catullus niederkniete, zwischen den Steinen; dann stand er wieder auf und ging zu der großen Platte, auf der sie im letzten Licht, vorhin, lange her, eine Rinne gesehen hatten, in der man einmal Opferblut aufgefangen haben mochte. Er kniete auf der Platte. Sie sahen eine Lichtzunge über die Klinge lecken.
    Sie warteten, bis sie sich sicher waren, daß Catullus sich nicht mehr regte. Aurelius rief die Numider herbei, die mit weiterem Brennholz aus dem Wald zurückkamen.
    Sie errichteten zwischen den Steinen einen Scheiterhaufen. Orgetorix und Aurelius trugen den Leichnam dorthin und betteten ihn auf die geschichteten Äste und Rindenstücke.
    Einige Männer hielten Wache bei den Zelten und Pferden, die anderen kamen auf die Kuppe und bildeten einen schweigenden Kreis um die Steingruppe. Stehende Steine, stehende Männer. Der Decurio brachte einen brennenden Zweig und reichte ihn Aurelius; ein anderer Numider gab Orgetorix den Krug mit Öl.
    Der Gallier sang leise vor sich hin. Aurelius verstand nichts; er nahm an, daß es sich um alte Sterbegesänge handelte oder Gebete in einer alten Form der Sprache, die man nur noch für heilige Handlungen verwendete. Orgetorix ging dreimal langsam um den Scheiterhaufen. Nach der dritten Umrundung goß er Öl auf den Leichnam, auf die Hölzer; dann wandte er sich um und nickte Aurelius zu.
    Er spürte, wie ihm etwas die Kehle zuschnürte, und er war verärgert über sich selbst. Ein gutes Ende für einen guten Mann, und hatte er nicht oft genug Männer bestattet, die schlimmere Wege zum Ende gegangen waren?
    »Götter Roms«, sagte er laut, »und Götter dieses Orts, wie ihr auch heißen mögt, begrüßt Gaius Valerius Catullus. Er war ein guter Mann und großer Dichter. Die Anderwelt ist durch seine Ankunft bereichert, aber unser Verlust ist größer als euer Gewinn.«
    Er stieß den brennenden Zweig zwischen die ölgetränkten Äste.
    Orgetorix und er und einer der Numider hielten Wache, bis das Feuer niedergebrannt war. In die letzten Flammen warf Aurelius die Pergamentrolle.
    Am nächsten Morgen zerstreuten sie die Asche. Die nicht völlig verbrannten Teile trugen

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