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Cäsar

Cäsar

Titel: Cäsar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Antworten, blitzschnelle Wechsel der Themen und Tonfälle - als sie einen Augenblick schwieg, während ihre Dienerinnen sie zu salben begannen, stellte Aurelius fest, daß er sich inwendig so fühlte, wie sein Körper sich fühlen würde, wenn er versucht hätte, bei den Haken und Wenden und Sprüngen eines überlegenen Schnellläufers mitzuhalten. Und nun füllte sich das Zelt mit einer Vielfalt unbeschreiblicher Düfte, die - wie er sich erstaunt sagte - eine eigene, schwierige und doch unmittelbar wirksame Symbolsprache waren: erhaben, sinnlich, berauschend, streng, beherrscht, beherrschend…
    Als er da stand, blicklos den Tuchschirm anstarrte und hörte, redete, roch, versuchte er sich vorzustellen, wie die Frau aussehen mochte, aber es überstieg seine Einbildungskraft. Die geschmeidige, tausendfarbige Herrin aller Schlangen vielleicht, die schön und entsetzlich war, Verzückung und Tod.
    Die Dienerinnen trugen die Tuchwand beiseite. Vor einer gepolsterten Kline, gehüllt in schillernde Seide, stand die Herrscherin. ›Römische Offiziere knien nicht‹, sagte er sich noch, aber da kniete er schon, und während er sich vorbeugte und mit der Stirn den Boden berührte, dachte ein Teil von ihm, wie losgelöst von allem anderen, an es. Jenes es, das regnet, das tagt, ›ich knie nicht - es kniet mich nieder ‹. Sie hatte Es, besaß Es, vielleicht war sie Es.
    »Steh auf. Und gib mir den Brief«, sagte sie, mit einer ganz alltäglichen Stimme, die alles noch unwirklicher machte.
    Er erhob sich, zog Caesars Brief unter dem Brustpanzer hervor und reichte ihn ihr, mit lang ausgestrecktem Arm, als fürchtete er, sich zu versengen. Sie war etwas kleiner als er schlank und doch kräftig; Einzelheiten des Gesichts oder des Körpers, der sich unter der Seide abzeichnete, nahm er nicht wahr. Später sagte er sich, daß das Vollkommene nicht zerlegt werden könne; daß die Gesamtheit ihn geblendet habe, so daß er die Teile nicht sah; und er erinnerte sich daran, daß in diesem Augenblick ein verwickelter Gedankenstrang seine Sinne gleichsam erwürgt hatte: ›Ohne zu keuchen, könnte sie alle Pferde und Männer der Welt schaumig reiten, und Tausende gäben ihr Leben für eine Nacht mit ihr, aber ich nicht - ich weiß, daß es einen bloßen Sterblichen überfordern würde. Aber gäbe es einen köstlicheren Tod?‹ »Bringt ihm einen Schemel; römische Offiziere sollen weder knien noch allzu lange stehen.«
    Während er darauf wartete, daß die Dienerinnen den Befehl ausführten, sah er zu, wie sie Caesars Siegel erbrach und las. Dann lachte sie, und nun sah er die lange, gerade Nase, weil sie sich beim Lachen kräuselte.
    »Er schreibt: ›Du kannst Quintus Aurelius vertrauen, weil er mir mißtraute. Das gefällt mir. Sag mir, wie es in Alexandria aussieht. Und was du von Caesars Plänen weißt.«
     
    Als er später zu seinem Zelt ging, stolperte er im Dunkel mehrmals. Er war benommen, wie betäubt vom Gespräch mit der Herrscherin. Und vom Ende des Gesprächs, von zwei Sätzen. Orgetorix und Aristeias saßen vor dem Zelt am Feuer und tranken. Sie hatten dies offenbar schon länger und gründlich getan und dabei geredet. Der Händler schielte ihn an, als er sich neben ihnen auf einen Deckenstapel fallen ließ und mit etwas unsicheren Händen Wein in einen Becher goß.
    »Ich finde«, sagte Aristeias mit der bemüht sorgsamen Aussprache des Betrunkenen, »daß ihr beide nach Tanais kommt, sobald euch das Meer und Rom zu eng werden. Warum habe ich euch nicht früher gekannt? Außerdem schulde ich euch mein Leben.«
    Orgetorix rülpste. »Blöder Bosporaner«, sagte er, »kimmerischer Trunkenbold. Du mußt uns ja nicht gleich heiraten. Was hat die Königin gesagt? Ups. Königin gesagt?«
    »Morgen früh reiten wir nach Alexandria.«
    »Ah, gut. Und? Wie ist sie? Ist sie so, wie? Wie man sagt? So überhaupt und alles?«
    »Mehr. Unvergleichlich.«
    Aristeias betrachtete ihn mit zusammengekniffenen Augen. »Hat‘s dich erwischt, Bruder?«
    Aurelius leerte den Becher mit einem langen Zug und füllte nach. »Nein. Ich kenne meine Grenzen.«
    »Ah, wer kennt die schon?« knurrte Orgetorix.
    »Du und ich«, sagte Aurelius. »Ich fühle mich wie du nach Alesia. Ich habe mir den Kopf am Himmel gestoßen, verstehst du?«
    Aristeias grinste stumm. Orgetorix riß die Augen auf.
    »So? So sehr? So gewaltig? Ha. Und jetzt willst du nicht mehr wissen, wie‘s weitergeht?«
    »Doch, aber nicht mitmachen. Nicht dabei. Sie, ah, sie hätte

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