Cäsar
redete flüssig und erzählte viel, aber Aurelius hatte den Eindruck, daß der Händler bestimmte Dinge aussparte. Immerhin erfuhr er einiges über den Handel mit den Skythen, die Tierfelle, Pelze, Sklaven und Pferde lieferten und dafür Öl, Wein, Töpferwaren, Messer und andere Waffen bezogen. Außerdem, sagte Aristeias, gebe es Bernstein aus den Ländern weit im Norden, den besten Hanf und einiges andere mehr. Es sei allerdings eine weite Reise, durch die Dardanellen und den Bosporos, dann immer die Nordküste des Euxeinischen Meers entlang, weit jenseits von Tomi und Odessos, bis man irgendwann hinter einer großen Halbinsel einen weiteren kleineren Bosporos erreiche, wo das einst mächtige, von Mithridates eroberte Bosporanische Reich gewesen sei, und ins Meer dahinter ergieße sich der Tanais, bei den Skythen auch Tan, Ton, Don oder Donzy genannt, und an dessen Mündung liege die vor Jahrhunderten von Seefahrern aus Miletos gegründete Stadt.
Irgendwann, der Namen und Handelsgüter und des Umschweigens anderer Dinge überdrüssig, sagte Aurelius: »Und so hast du bei deinen Handelsreisen durch unser Meer festgestellt, daß man mit bestimmten Kenntnissen ebenso gut handeln kann wie mit Gütern, nicht wahr?«
Aristeias sagte: »Ah.«
»Zehn Jahre mit Caesar haben mich gelehrt, Händler und Spitzel und Händler mit geheimen Kenntnissen zu erkennen und zu unterscheiden. Aber darüber sollten wir gründlicher sprechen, wenn du dich gesäubert und ausgeruht hast. Oder später.«
»Mein Leben gehört dir«, sagte Aristeias. Aber dabei grinste er leicht.
»Sag mir nur dies. Wenn du so wichtig bist, daß die Königin dich besonders schützen läßt, und so wichtig, daß die Leute des Königs dich trotzdem entführen - was wollten sie mit dir machen?«
Der Händler betrachtete ihn von der Seite; dann beugte er sich vor und tätschelte den Hals seines Pferdes. »Mein besonderer Freund Potheinos«, sagte er wie nebenher, »wollte mir ein paar besondere Fragen stellen. Daß er sich besonders an Qualen ergötzt, die mit gnadenlosem Einfallsreichtum dort angebracht werden, wo ihm als Eunuchen etwas fehlt, mag dir das Ausmaß meiner Dankbarkeit verständlich machen.«
»Das verstehe ich sehr gut.«
»Dann laß mich eine Gegenfrage stellen. Römer, Soldaten hier, so weit von der Küste… Du hast von Caesar gesprochen.
Potheinos, heißt es, hat Pompeius beseitigen lassen. Du wirst also von Caesar eine Botschaft für die Herrin haben.«
Aurelius nickte. »Und du könntest für mich sprechen, daß sie mich wohlwollend anhört.«
Aristeias räusperte sich. »Ich liebe schnelle, wendige Gespräche. Solltest du je des Dienstes bei Caesar überdrüssig werden, komm nach Tanais.«
Zwei Tage später erreichten sie das Heer der Königin. Aristeias sprach für Aurelius, und Kleopatra ließ ihn zu sich kommen. Beim ersten Anblick des Lagers war er enttäuscht: Soldaten in schlichten Rüstungen, wenige makedonische Offiziere, der größte Teil des Heers wohl echte Einheimische, Ägypter, bewaffnete Bauern, und nichts von jenem Prunk, den er beim König in Alexandria gesehen und bei der abgesetzten Königin ebenfalls erwartet hatte. Ihr Zelt, immerhin, war kostbar, und jenseits der Feuer zwischen den anderen Zelten sah er in der Abenddämmerung die vielfarbigen Lichter der Steine, mit denen ihr Thronkorb - wie anders sollte er es nennen? - verziert war, und dahinter die an ihren Pflöcken vor und zurück schaukelnden Umrisse der Trage und Kriegselefanten.
In der Mitte des riesigen, von zahllosen Öllichtern erhellten Zelts hatten die Dienerinnen Tuchwände aufgestellt. Kleopatra badete. Während sie mit ihm sprach, versuchte er zuerst, die feinen gestickten Bilder auf den Tüchern zu betrachten. Aber das war unmöglich; die Stimme der Herrscherin und die vielerlei Arten ihrer Verwendung raubten ihm gewissermaßen die Sicht. Natürlich sprach sie wunderbares, klassisches Attisch, ging zwischendurch in die rauhe koine der makedonischen Soldaten über, wechselte zu makellosem Latein. Sie konnte gurren, trällern, zwitschern, zitierte mit fast männlicher Stimme Euripides, und als sie mit Metall im Ton von Dingen des Kriegs redete, nahm er unwillkürlich Haltung an. Dann sagte sie etwas in einer Sprache, die Aurelius für Arabisch hielt, und als er auf Gallisch erwiderte, er könne der Pracht ihrer Ausführungen nicht folgen, lachte sie und sagte:
»Das habe ich verdient; Keltisch, nicht wahr?«
Schnelle Fragen, schnelle
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