Cäsar
billig arbeiten wie die Sklaven, und oft wegen der Kriege gar nicht, so daß die reichen Grundherren nach und nach auch dieser Bauern Land aufkauften.
Dies wäre, sehr vereinfacht und verkürzt, eine Beschreibung der Lage, durch die sich kaum fünfundsechzig Jahre nach dem Ende des Kriegs gegen Hannibal einige Männer in Rom zum Handeln gedrängt sahen: Tiberius und Gaius Gracchus. Sie waren die Söhne eines ebenfalls Tiberius Gracchus genannten ehemaligen Konsuls, der sich mit Cornelia vermählte, Tochter von Publius Cornelius Scipio Africanus, Sieger gegen Hannibal.
Man sagt, dieser Tiberius habe einmal auf seinem Lager ein Schlangenpaar gefangen. Schlangen kriechen jedoch nach Überzeugung der meisten Römer nie ohne die unsichtbare Bürde gewichtiger Vorbedeutungen; da Tiberius diese nicht zu erfassen vermochte, zog er Seher zu Rate. Sie befanden, er dürfe weder beide Tiere töten noch beide entschleichen lassen, sondern müsse sich für eine der Schlangen entscheiden. Der Tod des Männchens bedeute Tod für Tiberius, der des Weibchens für Cornelia.
Tiberius liebte seine Frau, die noch jung war, und sagte sich, als dem Älteren gezieme es ihm, in den Tod zu gehen. Wie allgemein bekannt, ist es außerdem für Kinder besser, von einer liebevollen Mutter versorgt und erzogen zu werden als von einem zerstreuten Vater, der sich mit Schlangen, Sehern und der Politik befaßt. Vielleicht hat Tiberius auch dies bedacht; jedenfalls tötete er das Schlangenmännchen.
Zum Ruhm der trefflichen Seher, denen nichts teurer ist als die Bestätigung ihrer Vorhersagen, starb er bald darauf und ließ Cornelia mit zwölf Kindern zurück. Die Priester drangen darauf, daß ihre Klugheit in den Archiven verewigt werde, und damit waren alle so beschäftigt, daß man Nahrung und Gesundheit auch der besseren Kreise nachlässig behandelte. So kam es, daß von Cornelias zwölf Kindern nur eine Tochter und zwei Söhne am Leben blieben. Die Tochter heiratete den jüngeren Scipio, die Söhne waren Tiberius und Gaius Gracchus.
Tiberius war neun Jahre älter als Gaius. Dadurch war es ihnen nicht möglich, ihre Kraft jemals gemeinsam einzusetzen und die großen Ziele in gemeinsamer Anstrengung zu verfolgen. Daß die Reichen den Göttern gedankt hätten, weil diese statt eines Altersunterschieds von, sagen wir, drei Jahren neun verhängten, ist wohl ein böswilliges Gerücht.
Als ganz junger Mann hatte Tiberius bereits so viel Ansehen erworben, daß er ins Priesterkollegium der Auguren aufgenommen wurde. Man sagt, dies habe er keineswegs seiner edlen Abkunft, sondern seiner Tüchtigkeit zu danken; in jedem Fall gehörte er damit zu den Sehern, und es ist nicht bekannt, daß einer von ihnen jemals Schlangen gesichtet und ihn damit behelligt hätte.
Unter dem jüngeren Scipio, dem Gatten seiner Schwester, machte er einen Feldzug in Afrika mit. An Pflichterfüllung und Tapferkeit übertraf er, wie es heißt, all seine jungen Waffenkameraden. Als Schwager des Feldherrn hatte er Zugang zu dessen engstem Kreis und ließ sich von Scipio gründlich beeinflussen.
Nach dem Feldzug wurde er zum Quästor gewählt und hatte mit dem Konsul Gaius Mancinus nach Iberien zu gehen, um den Aufstand der Bewohner von Numantia niederzuwerfen. Diese umnachteten Menschen mochten nämlich durchaus nicht einsehen, daß es ihnen nach dem Ratschluß der Götter, des Senats und des Volks von Rom beschieden war, sich des drückenden Jochs der Freiheit zu entledigen und hinfort jene Verzückung zu genießen, welche die Wonne der Knechte Roms ist.
Es gelang jedoch nicht, sie mit geschliffenen Reden oder wohlgesetzten Schwertern davon zu überzeugen; der Krieg zog sich mit Unterbrechungen viele Jahre hin. Mancinus war vom Unglück verfolgt - aber wie wir wissen, nimmt Unfähigkeit, aus der Ferne betrachtet, oft die Gestalt eines Verhängnisses an, und die Gestalt des Feldherrn, von weitem winzig, ist aus der Nähe oft gar nicht wahrzunehmen.
Nach schweren Niederlagen wollte Mancinus seine Stellung aufgeben und bei Nacht abziehen. Die Numantiner besetzten sogleich das Lager, fielen über die Fliehenden her und machten die Nachhut (falls man bei Fliehenden davon sprechen kann) nieder. Dann umzingelten sie das gesamte Heer und drängten es in ein schwieriges Gelände, aus dem es kein Entrinnen mehr gab.
Mancinus bot den Gegnern Waffenstillstand und einen Vertrag an. Die Numantiner jedoch erklärten, sie verlangten Tiberius als Unterhändler, da sie keinem Römer
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