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Cäsar

Cäsar

Titel: Cäsar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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außer ihm vertrauten. Dies lag daran, daß sein Ruf der Rechtschaffenheit bis zu ihnen gelangt war; außerdem war die Erinnerung an seinen Vater bei ihnen noch lebendig. Dieser hatte in Iberien Krieg geführt und viele Völker unterworfen, dann aber mit Numantia Frieden geschlossen und das römische Volk dazu gebracht, den Vertrag einzuhalten, was nicht zu den liebsten Gepflogenheiten der Römer gehört. Tiberius konnte die Feinde zu Zugeständnissen bewegen, nahm seinerseits ihre Bedingungen an und brachte schließlich ein Abkommen zustande, das zwanzigtausend römischen Bürgern das Leben rettete, Sklaven und Troß nicht gerechnet.
    Was sie im Lager vorfanden, behielten die Numantiner oder vernichteten es. Unter der Beute waren auch die Unterlagen des Tiberius mit den Abrechnungen und Berichten über seine Tätigkeit als Quästor. Als das Heer schon abmarschiert war, kehrte er noch einmal zur Stadt zurück und bat um Herausgabe der Schriftstücke. Er sagte, nur wenn er seine Amtsführung belegen könne, sei er in Rom sicher vor Verleumdung und vor der Anfechtung des Vertrags. Die Numantiner luden ihn in die Stadt ein und bewirteten ihn als Freund; danach übergaben sie ihm die Schriften.
    Nach seiner Heimkehr aber hieß es, der Vertrag sei eine unerträgliche Schande für Rom, und Vorwurf und Anklage wurden laut. Die Verwandten und Freunde der Soldaten strömten Schutz des Tiberius zusammen. Die Schmach schoben sie auf den Feldherrn, Tiberius hingegen priesen sie als Retter seiner Mitbürger. So wurde beschlossen, den Konsul wehrlos und in Fesseln den Numantinern zu übergeben, alle anderen aber zu schonen um des Tiberius willen. Scipio, der Karthago zerstört hatte und zu jener Zeit der mächtigste und einflußreichste Römer war, tat nichts, um Tiberius‘ Vertrag mit den Numantinern durchzusetzen. Später übernahm er die Führung des Kriegs gegen die Numantiner; als Tiberius dann versuchte, in Rom jene Veränderungen durchzuführen, von denen gleich die Rede sein wird, belagerte Scipio die iberische Stadt und war zu weit entfernt, um Tiberius zu unterstützen. Da er den von Tiberius ausgehandelten Vertrag mit Waffengewalt zu widerrufen sich befliß, halte ich es für fraglich, daß er seines jüngeren Schwagers sonstige Pläne gebilligt haben würde. Bei größerer Nähe mag ein Verwandter weiter entfernt sein, als man zunächst vermutet.
    Dies war die Lage, die Tiberius zu ändern suchte: Die Römer pflegten Land, das sie ihren Nachbarn im Krieg abnahmen, teils zu verkaufen, teils als Staatsbesitz bedürftigen Bürgern gegen eine geringe Abgabe zur Nutzung zu überlassen. (Es mag auch vorgekommen sein, daß sie mit Nachbarn keinen Krieg führten und ihnen kein Land abnahmen; allerdings will mir nun, da ich dies schreibe, gerade kein Beispiel dafür einfallen.) Da die Reichen sich längst damit ergötzten, den Pachtzins in die Höhe zu treiben und die Armen von ihrer Scholle zu verdrängen, wurde ein Gesetz erlassen: Niemand dürfe mehr als fünfhundert Morgen Land besitzen.
    Kurze Zeit half diese Vorschrift den Armen, die staatlichen Boden gepachtet hatten und bewirtschafteten. Bald jedoch brachten die Reichen durch Mittelsmänner die Pachtverträge m ihre Hände und behandelten schließlich das meiste als eigenen Besitz. Von den Äckern verjagt, taten die Armen ihre Soldatenpflicht nur noch widerwillig, und da sie weder ein Dach über dem Kopf noch gar ein Bett unter dem Dach besaßen, zeugten sie mit Frauen, die sie nicht schützen konnten, auch kaum noch Kinder, die sie nicht hätten ernähren können. Die freie Bevölkerung, das Volk von Rom, nahm überall ab, während Sklaven die Ländereien bestellten, aus denen die Reichen ihre Mitbürger vertrieben hatten.
    Als Tiberius Gracchus auf dem Weg nach Numantia durch Etrurien kam, sah er das verödete Land und die Sklaven, welche die Felder bestellten und das Vieh weideten. Da, so heißt es, habe er bereits die Ziele seiner späteren Politik festgelegt. Das Volk, bei dem er beliebt war, forderte ihn dann durch Inschriften an öffentlichen Hallen, an Wänden und Denkmälern auf, den Armen das Gemeindeland zurückzugewinnen.
    Er arbeitete das Gesetz nicht allein aus, sondern zog angesehene Bürger als Ratgeber zu. Da Bürger um so angesehener waren, je reicher sie hatten werden können, wurde es ein recht mildes Gesetz. Statt für Habgier und Unrecht Strafen zu verhängen, verzichtete man darauf, mit Eigentum verbundene Verbrechen als Verbrechen zu

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