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Cäsar

Cäsar

Titel: Cäsar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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betrachten. Wer das Land, aus dem er widerrechtlich Nutzen zog, hätte herausgeben und obendrein eine Buße entrichten müssen, der sollte nur gegen eine Entschädigung abtreten, was er sich widerrechtlich angeeignet hatte, und bedürftigen Bürgern Platz machen.
    Aber das Volk gab sich damit zufrieden, ließ Vergangenes ruhen, daß in Zukunft das Unrecht ein Ende habe. Die Reichen hingegen bekämpften das Gesetz und den Gesetzgeber und versuchten, das Volk umzustimmen: Die Verteilung des Landes sei nur ein Vorwand; eigentlich wolle Tiberius die Verfassung zerrütten, einen allgemeinen Umsturz bewirken und die Macht von Senat und Volk beenden.
    Wie die Schriften verzeichnen, soll Tiberius dieses gesagt haben:
    »Die wilden Tiere, die in Italien hausen, haben Höhlen. Jedes weiß, wo es sich hinlegen, wo es sich verkriechen kann. Die Männer aber, die für Italien kämpfen und sterben, haben nichts außer Luft und Licht. Heimatlos und gehetzt irren sie mit Weib und Kind durch das Land. Die Feldherren lügen, wenn sie die Soldaten in der Schlacht aufrufen, sich für ihre Gräber und Heiligtümer gegen den Feind zu wehren, denn von all diesen Römern besitzt keiner einen Altar, den er vom Vater ererbt, keiner ein Grab, in dem seine Vorfahren ruhen, sondern sie kämpfen und sterben für das Wohlleben und den Reichtum anderer, die nicht kämpfen. Herren der Welt werden sie genannt und haben doch nicht eine Scholle Landes zu eigen.«
    Diese Worte begeisterten das Volk, so daß die Gegner darauf verzichteten, ihm in öffentlicher Rede entgegenzutreten; sie wandten sich aber an den Volkstribunen Marcus Octavius, der mit Tiberius befreundet war. Deshalb sträubte er sich zunächst, denn er wollte Tiberius nicht verletzen. Als aber viele einflußreiche Männer ihn unablässig bedrängten, schlug er sich auf deren Seite und legte gegen das Gesetz sein Veto ein. Nun verfügt unter den Volkstribunen derjenige, welcher Einspruch erhebt, über die entscheidende Macht, denn auch der Wille der Mehrheit kann seinen Einspruch nicht aufheben.
    Daraufhin zog Tiberius das milde Gesetz zurück und legte einen neuen Antrag vor: Die Reichen sollten das Land, das sie sich widerrechtlich angeeignet hatten, sofort abtreten.
    Zwischen den alten Freunden Tiberius und Octavius soll es trotz der Gegnerschaft nie zu den unter Politikern üblichen Gehässigkeiten gekommen sein. Als Tiberius bemerkte, daß auch Octavius als Besitzer weiter Staatsländereien von dem Gesetz betroffen war, bot er an, ihm den Wert des Bodens aus eigenen Mitteln zu ersetzen, obwohl ihm dies wegen kargen Vermögens schwergefallen wäre. Aber Octavius wies auch diesen Vorschlag zurück. Nun erließ Tiberius ein Edikt, das sämtlichen Beamten verwehrte, ihre Geschäfte weiterzuführen, ehe nicht das Gesetz zur Abstimmung gebracht sei. An den Staatsschatz im Tempel des Saturn legte er sein Siegel, daß die Quästoren nichts herausnähmen, und den Prätoren drohte er Bestrafung an, so daß alle ihre Tätigkeit niederlegten. Da zogen die Reichen Trauerkleider an und gingen jammernd und klagend auf dem Markt umher; heimlich aber heckten sie Anschläge gegen Tiberius aus und dangen Meuchelmörder.
    Am Tag der Abstimmung stellte man fest, daß die Stimmurnen verschwunden waren. Natürlich ging man sogleich davon aus, daß die Reichen sie entwendet hätten - ein böswilliger Verdacht, für den es keinerlei Anhaltspunkte gab; es sei denn, man ginge von der Frage, wem das Verschwinden nutze, zu der Annahme über, die möglichen Nutznießer könnten ihren Nutzen geahnt oder gar bewirkt haben.
    Es brach ein gewaltiger Tumult aus. Die Anhänger des Tiberius rotteten sich schon zusammen, da beschworen zwei ehemalige Konsuln, Manlius und Fulvius, Tiberius unter Tränen, das Äußerste zu verhüten. Er fragte die Männer, was er tun solle. Sie forderten ihn auf, den Entscheid dem Senat zu überlassen. Tiberius fügte sich ihrer Bitte. Als aber der Senat, in dem die Reichen das Übergewicht hatten, zu keinem Beschluß kam, wollte er Octavius des Amtes entheben, da er keinen anderen Weg mehr sah, sein Gesetz zur Abstimmung zu bringen. Zunächst jedoch ergriff er vor aller Augen dessen Hände und bat ihn, er möge nachgeben. Da Octavius ablehnte, machte ihm Tiberius klar, daß es nur noch eine Möglichkeit gebe: Einer von ihnen müsse auf sein Amt verzichten. Er forderte Octavius auf, das Volk zuerst über ihn, Tiberius, abstimmen zu lassen. Er werde sofort das Tribunat niederlegen, wenn

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