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Cäsar

Cäsar

Titel: Cäsar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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nicht aus ihrem Verschlag, wie sehr der Mann auch daran rüttelte. Schlangen ließen sich allerdings nicht blicken, abgesehen von denen im Senat. Als Tiberius das Haus verlassen und zu dem beim Kapital versammelten Volk gehen wollte, stieß er sich so heftig an der Schwelle, daß der Nagel des großen Zehs abgerissen wurde und das Blut durch die Sandale drang. Unterwegs sah er zur Linken auf einem Dach zwei Raben kämpfen, und ein Stein, den einer der Vögel gelöst hatte, fiel Tiberius vor die Füße.
    Einige, die sich über diese Vorgänge geäußert haben, bekundeten Staunen ob der Tatsache, daß Tiberius, wiewohl selbst Augur, all diese unheilvollen Vorzeichen mißachtet hat. Ich wage vorzuschlagen, daß er, eben weil er selbst Augur war, den wahren Wert solcher Vorzeichen kannte und daher keinen weiteren Gedanken an sie verschwendete.
    Mehrere der auf dem Kapital versammelten Freunde kamen und drängten ihn zur Eile, da es dort oben gut stehe. Und in der Tat nahm die Sache zunächst einen für Tiberius günstigen Verlauf: Bei seinem Anblick erhob die Menge ein Freudengeschrei, und als er hinaufstieg, begrüßten sie ihn herzlich und scharten sich um ihn, damit kein Unbekannter ihm nahe komme.
    Man begann, die Tribus zur Abstimmung aufzurufen, als bei den Hintersten lärmendes Getümmel ausbrach. Sie wurden weggestoßen von den Anhängern der Gegenpartei, die mit Gewalt hereindrängten und sich unter die Menge mischten. Der Senator Fulvius Flaccus bahnte sich einen Weg zu Tiberius und sagte, wenn die Reichen den Konsul in der Senatssitzung nicht auf ihre Seite ziehen könnten, wollten sie Tiberius töten und hielten hierzu eine bewaffnete Bande von Sklaven und Mitläufern bereit.
    Tiberius gab die Nachricht weiter. Seine Anhänger zerbrachen die Spieße, mit denen sonst Büttel das Volk in Schranken hielten, und verteilten die Stücke, um damit die Angreifer abzuwehren. Und als die weiter hinten Stehenden fragten, was da vor sich gehe, griff sich Tiberius an den Kopf, um die Gefahr anzudeuten, da sie seine Stimme nicht hören konnten. Kaum hatten die Gegner dies gesehen, liefen sie in den Senat mit dem Ruf, Tiberius verlange die Königskrone, er habe mit der Hand sein Haupt berührt.
    Einer der Senatoren forderte den Konsul auf, er solle den Staat retten und den Tyrannen stürzen. Der Konsul sagte, er werde weder Gewalt anwenden noch einen Bürger ohne Richterspruch töten; sollte Tiberius das Volk dazu bringen, einen ungesetzlichen Beschluß zu fassen, so werde er ihn nicht anerkennen. Da sprang Nasica auf und schrie: »Der oberste Beamte verrät die Stadt! Auf denn! Wer für die Gesetze einstehen will, folge mir nach!« Damit eilte er aufs Kapitol. Alle, die ihm folgten, stießen beiseite, was ihnen im Wege war. Niemand dachte angesichts der hochangesehenen Männer an Widerstand, alles flüchtete und trat sich mit Füßen. Die Begleiter der Senatoren hatten Knüppel und Stöcke mitgebracht, die Senatoren selbst nahmen Beine und Stücke von den Bänken, die die fliehende Menge zerbrochen hatte, und bahnten sich einen Weg zu Tiberius. Dabei schlugen sie auf alle ein, die sich schützend vor ihn gestellt hatten, bis diese den Rücken wandten oder ein blutiges Ende fanden. Als Tiberius fliehen wollte, packte einer ihn am Gewand. Publius Satureius versetzte ihm mit einem Stuhlbein den ersten Hieb über den Kopf. Auf den zweiten erhob Lucius Rufus Anspruch wie auf eine Heldentat. Von den Anhängern des Tiberius fanden über dreihundert den Tod, niedergeschlagen mit Knüppeln oder Steinen; keiner fiel durch das Schwert.
    In Rom war dies seit dem Sturz der Königsherrschaft der erste Parteikampf, der durch Blut und Mord entschieden wurde. Grund der Verschwörung gegen Tiberius war wohl eher der Haß der Reichen; seine letzten Handlungen waren allenfalls der Anlaß. Für unbändigen Haß spricht auch die Mißhandlung des Toten. Als der Bruder darum bat, den Leichnam bergen und nachts begraben zu dürfen, wiesen sie ihn ab und warfen Tiberius mit den anderen Erschlagenen in den Tiber. Einige seiner Anhänger wurden ohne Urteil in die Verbannung geschickt, andere in den Kerker geworfen und hingerichtet. Die von Tiberius angeregten Gesetze wurden nicht beschlossen.
    Einige Zeit später begann der Aufstieg des jüngeren Bruders Gaius. Nach Jahren der Zurückgezogenheit und des Dienstes als Quästor beim Heer bewarb er sich um das Tribunat. Dabei stieß er auf den geschlossenen Widerstand der Adligen und Reichen; die

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