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Cäsar

Cäsar

Titel: Cäsar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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einfachen Leute hingegen strömten aus ganz Italien zur Hauptstadt, um seine Bewerbung zu unterstützen.
    Nach der Wahl legte er zwei Gesetze vor. Das erste verbot einem vom Volk abgesetzten Magistrat, je wieder ein Amt zu führen, das zweite sicherte dem Volk das Recht, einen Beamten abzuurteilen, welcher ohne Richterspruch römische Bürger des Landes verwiesen hatte. Der eine Antrag war ein unverhüllter Angriff auf Marcus Octavius, von Tiberius des Tribunats enthoben, der andere richtete sich gegen Popilius, der Anhänger des Tiberius in die Verbannung geschickt hatte.
    Unter den Gesetzesanträgen, die Gaius einbrachte, sah das Ackergesetz die Verteilung des Staatsgrundes an die Armen vor, das Militärgesetz bestimmte, der Staat habe den Soldaten im Felde die Ausrüstung zu liefern, und zwar ohne Verkürzung des Soldes, auch dürfe niemand unter siebzehn Jahren zum Kriegsdienst aufgeboten werden. Das Bundesgenossengesetz sollte den Italiern das gleiche Stimmrecht verschaffen wie den römischen Bürgern, das Getreidegesetz der unbemittelten Bevölkerung niedrige Marktpreise sichern. Doch traf das schon von Tiberius vorgeschlagene Richtergesetz die Senatoren am empfindlichsten, denn sie allein hatten bis dahin die Rechtsprechung in Händen. Gaius fügte nun zu den dreihundert senatorischen Richtern dreihundert weitere aus dem Ritterstand und ließ die Urteile von den sechshundert gemeinsam fällen.
    Nachdem das Volk das Gesetz angenommen und ihm überdies Vollmacht erteilt hatte, die Richter aus dem Ritterstand auszuwählen, besaß er eine solche Machtfülle, daß auch der Senat sich herabließ, seinen Rat anzuhören. Er griff aber nur dann ein, wenn er Vorschläge machen konnte, die dem Senat Ehre einbrachten. So stellte er einen maßvollen und hochherzigen Antrag, als man über das Getreide beriet, welches der Proprätor Fabius aus Hispanien geschickt hatte. Er überredete die Senatoren, das Korn zu verkaufen und den Erlös den geschädigten Städten zurückzusenden, außerdem Fabius zu tadeln, da er die römische Herrschaft für die Untertanen zu einer unerträglichen Last mache. Seitdem war Gaius in den Provinzen geachtet und geliebt.
    Schließlich aber mußte auch er, wie zuvor sein Bruder, vor den Senatoren und ihren gedungenen oder aufgewiegelten Helfern aus blutigen Straßenkämpfen in Rom fliehen. Zusammen mit einem Sklaven wurde er in einem heiligen Hain am Rand der Stadt getötet; vielleicht tötete er sich auch selbst. Das Haupt des Gaius sollte dem, der es brächte, mit Gold aufgewogen werden. Ein gewisser Septumuleius entfernte das Gehirn, füllte den Kopf des Gaius Gracchus mit Blei und erhielt dafür siebzehneinhalb Pfund Gold. Mehr als dreitausend von Gaius‘ Anhängern wurden hingerichtet.
     
    Dies geschah, o ihr Herren der Grenze und der Festung, zwölf Jahre nach dem Tod des Tiberius Gracchus und einundzwanzig Jahre vor Caesars Geburt. Wenn ihr mir nicht bedeutet, ich solle schneller, langsamer oder anders fortfahren, will ich mich dem ebenso großen wie furchtbaren Gaius Marius zuwenden. Morgen, vielleicht übermorgen.

II.
DIE FREIHEIT DER SKLAVEN
    »Erzähl mir von Milo und Clodius.« Aurelius legte die Hände um den Becher, der heiße Brühe und geröstete Brotstückchen enthielt, und betrachtete den Dichter.
    Sasila zog die Lederdecke über den Kopf. »Viel wissen, wenig erzähl du«, sagte sie.
    »Ach, was weiß ich denn schon?« Catullus zwinkerte und blickte unter dem Vordach der Schänke nach Norden.
    Es war ein frischer Wintermorgen, nicht zu kalt und anders als in den vergangenen Tagen klar. Jedenfalls hier, außerhalb der Stadt. Über Rom dagegen lag eine graugelbe Schicht aus dem Rauch von hunderttausend Herden und Feuern und den Ausdünstungen der Menschen.
    »Rom ist immer so«, sagte der Dichter. »Undurchsichtig. Die Entfernung ändert es nicht. Wenn man drin ist, hält man es für ganz natürlich, ohne deshalb mehr zu sehen; von außen, von hier, sieht man auch nicht weniger, aber man sieht die Undurchschaubarkeit deutlicher.«
    »Danke für hilfreiche Auskünfte.« Aurelius trank von seinem Frühstückssud. »Und außer Undurchschaubarkeit hast du nichts zu bieten?«
    Catullus rieb sich die Augen. Sie waren klarer als zuletzt; abends hatte er weniger getrunken. »Milo.« Er unterbrach sich, schüttelte den Kopf. »Ich habe heute noch gar nicht gehustet. Diese trockene Kälte bekommt mir; vielleicht sollte ich in ein trockenes Land gehen.«
    »Wüste Dichter in die

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