Cäsar
Sternaugen, der Stimme und den Wörtern gelesen haben mochte, war wie die Spuren des Flügels einer Schwalbe am Himmel, wie der zweifellos ergreifende Gesang der Krebse auf dem Grunde des Meeres. Eher mochte er erwarten, Pompeius Befehle erteilen zu dürfen oder von Cicero um Rat gebeten zu werden.
›Es gibt nur eines, Junge‹, sagte er sich. ›Schlag sie dir aus dem Kopf.‹ Er nahm es sich fest vor und wußte, daß es ein lächerlicher Versuch bleiben würde.
Als er sich abends auf den langen Rückweg zur Schänke machte, beschloß er, sich am Stadttor einen Karren zu leisten und vorher noch etwas zu essen. In der von Fackeln zersetzten Dämmerung saß er vor einer halboffenen Garküche. Heiße Schwaden aus dem Inneren wärmten ihn, während er einen Brei aus zerschnittenem Kohl, gebratenen Speckstückchen und Essig schlürfte.
Auf dem kleinen Platz spielten unter kahlen Bäumen zwei Jungenbanden Krieg. Wie er den wenigen deutlichen Wörtern im Geschrei entnehmen konnte, stellte die größere Gruppe die angreifenden Parther dar, während die andere den heldenhaften Rückzug der von Cassius geführten Römer spielte.
Die »Parther« schleppten ein Bündel aus Lumpen und Zweigen mit sich. Aurelius hatte zuerst angenommen, es müsse eine Art Feldzeichen sein; im weiteren Verlauf des Spiels wurde aber deutlich, daß es sich um den Leichnam des Marcus Licinius Crassus handelte: des beinahe allmächtigen und ganz allreichen Mannes, der mit Caesar und Pompeius jahrelang Roms Politik beherrscht und nun, vor wenigen Monaten, sieben Legionen in den Untergang geführt hatte, in der Wüste am Euphrat.
Irgendwann schritt ein alter Römer ein, einer jener herben, tugendhaften Männer, die sich an denen des Hauses Cato ausrichteten. Er trug auch an diesem kalten Winterabend nichts als Tunika und Sandalen, keinen Umhang, keine Fußlappen; und er trug seine römische Tugend zur Schau, indem er den Jungen einen gebrüllten Vortrag über Achtung vor den Toten und Ehre für Feldherren hielt. Sie lachten ihn aus und liefen weg; Aurelius applaudierte im Geiste.
Auf dem Heimweg dachte er mit einer gewissen Dankbarkeit, die ihn selbst verblüffte, an die blutigen Kämpfe unter Caesar. Der hatte seine Leute wenigstens nie derart hirnlos in einen Hinterhalt geführt wie Crassus. Crassus der Reiche, der Göttliche, der Feiste, bei dem das Geld die Macht erkauft und alles andere ersetzt hatte. Geld statt Geist, Geld statt Geschick, Geld statt Fähigkeiten. Und der Legat Gaius Cassius Longinus hatte die Überlebenden gerettet und Syrien gehalten.
Das brachte ihn, während er auf dem gemieteten Karren die Stadt hinter sich ließ, zu einer anderen Gedankenkette, in die er sich verwickelte und deren Klirren er hören zu können wähnte. Gedanken an die edle Servilia, Caesars langjährige Geliebte. Der erste Mann, lunius Brutus, als Volkstribun von Pompeius getötet, der zweite, lunius Silanus, als Konsular gestorben. Die Kinder - des ersten Mannes Sohn, des zweiten Töchter - hatte sie zu Gegnern des Pompeius erzogen. Die drei Töchter hatte sie vermählt mit dem derzeitigen Ädilen Aemilius Lepidus - einem Caesarianer -, dem ehemaligen Prätor Isauricus und eben jenem Cassius, auf dessen Heldentaten in Syrien sie stolz sein durfte. Ob sie auch stolz auf den Sohn war? Marcus lunius Brutus, Quästor in Kilikien, hatte seinen Onkel Cato nach Zypern begleitet und dort unter dessen Ein- fluß, wie es hieß, eine Wandlung zum Stoiker und entschiedenen Gegner Caesars durchgemacht.
›Ah ja‹, dachte Aurelius, ›die edlen Familien. Von wegen Senat und Volk - Sippen und Vermögen. Wer von ihnen, außer Servilia, hat wohl je freiwillig mit einem aus dem Volk geredet? Und irgendwann werden alle edler Lehm sein, Dreck, mit dem man bestenfalls ein Loch in der Hüttenwand verstopft, um dem Winterwind zu wehren. ‹ Dann lachte er lautlos und begann Stellen für bestimmte Lehmsorten zu suchen. Catos Lehm zur Festigung eines Latrinenpfostens, Caesars Lehm vielleicht als Fensterdichtung. ›Und möge‹, sagte er sich, ›der Lehm der edlen und schönen Servilia das Schlafgemach eines jungen Paars vor Kälte schützen. ‹ Bis er die Schänke erreichte und den Karrenfahrer entlohnte, erfand er für den eigenen Lehm noch viele Verwendungsmöglichkeiten, von denen ihn allerdings keine wirklich glücklich machte.
An dem Tag, als er die Zahlungsanweisungen aus dem Tempel holte und sich mit einem gemieteten Karren nach Ostia begab, wo Sasila und der
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