Cäsar
kleine Bucht östlich von Massilia. Fischerboote lagen am Strand, und zumindest eines der Häuser - eher Hütten - schien eine Art Schänke zu sein.
»Wir könnten hier die Nacht verbringen«, sagte Qabil.
»Besser, als im Dunkeln an irgendwelchen Felsen im Wasser hängenzubleiben.«
Aurelius hatte gehofft, an Land Neuigkeiten aus Rom zu erfahren, aber die Fischer - Abkömmlinge griechischer Auswanderer, die sich vor Jahrhunderten hier niedergelassen hatten - wußten nicht viel vom Rest der Welt.
»Was erwartest du denn?« sagte Catullus, als sie in der Schänke gebratenen Fisch aßen und Wein tranken. »Fisch und Wein, das Meer, die Boote und die Familien; wer braucht denn hier mehr? Etwa einen Cicero oder so?«
»Die brauchen auch keinen Dichter«, sagte Qabil. »Oder wenn doch, dann werden sie vermutlich selbst dichten. Warte bis morgen; in Massilia weiß man sicher mehr. Was auch immer.«
»Nachrichten über die Bestattung des Clodius?« Catullus leerte seinen vierten Becher. »Wahrscheinlich hat es dabei eine nette Keilerei gegeben.«
»Meinst du nicht, daß mehr geschehen sein müßte?«
Sasila seufzte und hielt sich die Ohren zu. »Rom weit, Rom weg«, sagte sie. »Rom besser ganz weg.«
»Was sollte denn mehr geschehen?« Qabil blickte Aurelius forschend an. »Du klingst so, als ob du mit größeren Umwälzungen rechnetest.«
»Ich weiß nicht… Immerhin ist einer der wichtigsten Politiker ermordet worden, von einem anderen der wichtigen Leute. Bestimmt hat es Auseinandersetzungen gegeben; und wenn es wirklich heftig war, könnte es auch Caesar betreffen. Und damit mich. Also uns.«
Qabil hob die Schultern. »Sie werden sich hauen, aber das tun sie doch immer. Und wenn es wirklich Milo selbst gewesen ist, der Clodius erlegt hat, werden sie ihn vor Gericht stellen. Sogar die eigenen Leute. Es gibt Grenzen.«
»Milo vor Gericht?« Catullus kicherte. »Er wird aber keinen großen Verteidiger kaufen können. Wenn er es wirklich mit eigener Hand getan hat, meine ich.«
»Es gibt genug kleine Verteidiger. Aber bist du dir sicher, daß die großen sich nicht darauf einlassen?«
»Kannst du dir ernsthaft vorstellen, daß Milos Freund Cicero, zum Beispiel, seinen Ruf und Namen aufs Spiel setzt, um einen Mörder zu verteidigen? Verteidigen, was nicht zu verteidigen ist?«
»Dafür sind aber doch Verteidiger da.«
Catullus blähte die Wangen auf. »Bah, natürlich; aber doch nicht Marcus Tullius. Der übernimmt keine von vornherein verlorenen Fälle. Außerdem legt er Wert darauf, immer dann gut auszusehen, wenn es um das Wohl der Republik geht.«
Aber der Dichter irrte sich. In Massilia hörten sie, was von den schnellen Boten, die Caesars Winterlager mit Befehlen zu versorgen hatten, aus Rom gemeldet worden war.
Es hatte Gemenge gegeben, Gewalt und Unruhen; bei der Bestattungsfeier wurde der Sitz des Senats, die ehrwürdige Kurie, niedergebrannt. Milo, der sich für das Amt des Konsuls beworben hatte, wurde des Mordes angeklagt, und Cicero übernahm die Verteidigung. Später erfuhr man, daß er nicht von Mord, sondern von einer ehrenhaften Tat zum Schutz des bedrohten Staats ausging. Gnaeus Pompeius Magnus wurde zum alleinigen Konsul ernannt und mit weitreichenden Vollmachten zur Wiederherstellung der Ordnung ausgestattet.
Und aus dem Hinterland Galliens kamen Gerüchte über einen großen Aufstand gegen die römische Herrschaft. Galliens Fürsten wußten genug über die Vorgänge in Rom - wußten, daß alles auf einen Zweikampf zwischen Caesar und Pompeius um die Macht und die Zukunft hinauslief. Also konnten sie nun davon ausgehen, daß Caesar entweder nach Rom gehen oder versuchen würde, von Norditalien aus die Entwicklung zu beeinflussen.
»Er tut immer das, womit seine Feinde am wenigsten rechnen«, sagte Qabil. Sie hatten sich in einer Hafenschänke getroffen, um Abschied zu nehmen; mit dem erhofften Morgenwind wollte der Händler auslaufen. Was in Massilia umgeschlagen werden sollte, war ausgeladen und zum Teil schon auf andere Schiffe gebracht worden.
»Das klingt, als ob du ihn bewundertest.« Catullus winkte der Schanksklavin; er trank so gründlich, daß Aurelius annahm, der Dichter wolle sich für die bevorstehende Reise betäuben. Aber bis dahin - wann auch immer verläßliche Nachrichten über Caesars Pläne kämen - hätte die Wirkung nachgelassen. Jedenfalls ohne ständigen Nachschub. Von dem es in Massilia allerdings reichlich gab.
»Bewundern?« Qabil rümpfte die Nase.
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