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Cäsar

Cäsar

Titel: Cäsar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Garküche ging er dann essend und trinkend langsam zurück zu den besseren Häusern.
    Am dritten Tag hatte er eben, auf halbem Weg von der Garküche zurück zu Balbus, den letzten Schluck zum Nachspülen genommen und die Flasche wieder an seinem Gürtel befestigt. Zerstreut zählte er die Farbtöne, mit denen die Säulen und Pfosten an den Eingängen der Reichen protzten, als bei einem Portal, ein paar Schritte vor ihm, eine Sänfte von vier Trägern abgesetzt wurde. Zwei Diener begleiteten sie. Einer zog den Vorhang an der dem Haus zugewandten Seite fort, der andere trat Aurelius in den Weg und sagte: »Geduld, Freund; laß die Herrin aussteigen.«
    Erst als sie bereits neben dem Diener stand und zum Portal schaute, begriff er, daß sie es war. Jene Frau. Diesmal nahm er mehr von ihrem Gesicht wahr, ehe ihn die Augen wieder aufsogen. Er sah die zu feinen Bogen gezupften Brauen, die schmale Nase und das Grübchen im Kinn, und dann hörte er ungläubig jene warme, ein wenig aufgerauhte Stimme, und fast bildete er sich ein, die Wörter nicht nur zu hören, sondern auch zu sehen. › Catullus, den alten Griechen verfälschend, hätte es vielleicht so ausgedrückt‹, dachte er später: ›zu sehen, wie die Wörter gleich lichten Vögeln dem Gehege der Zähne entfleuchten und die prangenden Wälle der Lippen überwanden.‹ »Ach, Aurelius, hast du eine neue Heimstatt gefunden?« Sie kannte seinen Namen, mußte mit Volturcius gesprochen haben. Konnte es dafür einen anderen Grund geben, als daß sie an ihm, seinem Geschick, seiner Person Anteil nahm? Er war so verblüfft, daß er zunächst nur »nein, Herrin« sagen konnte; dann bemühte er sich um ein Lächeln, dachte an andere Verse des hustenden Dichters und setzte hinzu: »Noch nicht, aber ich weiß, wo es sein wird - ein Heim aus Schwertern und Wind, im Norden.«
    Unter dem von Göttern und Ungeheuern verzierten Fries des Portals erschienen zwei schwarzgewandete Sklaven, die Speere hielten; zwischen sie trat ein dicklicher Mann in blendendweißer Tunika und klatschte in die Hände.
    »Willkommen, Fürstin der Freuden«, sagte er. »Mein Herr verzehrt sich bereits in Sehnsucht nach dir.«
    »Dann will ich eilen, ehe er sich ganz verschlungen hat.« Aber ihre Augen, sterndurchsetzte Nächte, waren noch immer auf Aurelius‘ Gesicht gerichtet. Und tief in den Augen, vielleicht noch weit hinter den Sternen, glaubte er plötzlich eine Trauer wahrzunehmen, die schwärzer war als diese Sternennacht.
    »Sag mir« - er brach ab, weil seine Stimme plötzlich belegt war und er sich räuspern mußte -, »sag mir deinen Namen, damit mein Traum weiß, wie er heißt.«
    Sie lächelte schnell, beinahe ein wenig trüb. »Kann dein Traum schreiben?« sagte sie. »Dann soll er seinen Namen mit kappa schreiben. Kalypso.«
    Als sie im Portal verschwunden war, wollten die Diener und die Sänftenträger sich zu einem Nebeneingang begeben. Aurelius hielt sie auf, mittels einiger Münzen, und stellte ein paar Fragen.
    So erfuhr er, daß sie eine gute Herrin sei, dreiundzwanzig Jahre alt, Griechin aus Athen, und zwar keine Freigelassene, sondern eine Freie, Tochter eines vor neun Jahren verstorbenen Rhetoriklehrers, der einen reichen Römer und dessen Freunde und Verwandte freiwillig und gegen gute Bezahlung unterrichtet hatte. Sie kenne, sagten die Diener, alle griechischen und römischen Dichter auswendig, dazu viele philosophische Werke; ferner beherrsche sie Flöte und Kithara und sei die Zier der Gastmähler in den besten Häusern.
    »Und - ist sie manchmal traurig? Frauen mit schönen Augen, ihr wißt… ?«
    »Tränen verschönen die Augen der Frauen.« Der ältere der Diener lächelte. »Ein dummer Vers eines dummen Dichters, Herr. Wahrscheinlich hatten seine Frauen keinen Grund zum Lächeln.«
    »Die Geschwister«, sagte der andere Diener.
    »Ah ja, das stimmt. Ein jüngerer Bruder, eine kleine Schwester. Beide sind verschollen. Verschwunden. Entführt? Wahrscheinlich tot. Manchmal ist sie deshalb ein wenig schwermütig.«
    Eine kluge, schöne, gebildete Hetäre. Sie würde des Vaters Schüler und deren Kreise genutzt haben, sagte sich Aurelius.
    Vielleicht auch, um die jüngeren Geschwister zu ernähren. Manche mußten ihren Leib, ihr Leben, ihr Schwert oder ihre Kenntnisse für wenig verkaufen und blieben ewig abhängig; andere stiegen auf zu Konsuln, Feldherren oder göttlichen Jungfrauen, die allen Männern geboten, ohne je einem zu gehören.
    Was immer er aus diesen

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