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Cäsar

Cäsar

Titel: Cäsar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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für keine dieser beiden Formen der Trübsal geeignet fühlte.
    Die Straße, die von Norditalien westlich zur Hauptstadt der Provinz Gallien, Narbo, führte, war nur hier und da befestigt. Als Aurelius auf einer der Wanderungen, die er bei sich »Hinkungen« nannte, Mutmaßungen über die Anzahl der Männer, Steine und Tage anstellte, die für einen wirklichen Straßenbau nötig wären, bückte sich Catullus, nahm einen flachen Stein vom Wegrand auf und drückte ihm diesen in die Hand.
    »Wohin willst du ihn legen?« sagte er dabei.
    »Warum sollte ich ihn überhaupt irgendwohin legen?«
    »Straßenbaumeister Aurelius, leg diesen Stein irgendwo hin - dort, wo deiner Meinung nach die Straße sein sollte.«
    Aurelius hob die Schultern, suchte sich eine ebene Stelle zwischen zwei Bodenwellen aus und legte den Stein dorthin.
    »Und jetzt?« sagte er.
    Catullus hob die Hände, in einer priesterlichen Spottgebärde. »Begonnen und alsbald vollendet«, sagte er. Er holte tief Luft und brüllte: »Sehet, o ihr Götter des Bodens, sehet und schützet den Beginn der Via Aurelia!« Dann hustete er krampfhaft, bis ihm Blut über die Lippen kam.
    »Du solltest nicht so schreien«, sagte Aurelius.
    »Warum? Magst du kein Blut sehen? Seltsam für einen alten Centurio.«
    Flußab aus dem Norden und über die Straße von Westen her kamen in immer kürzeren Abständen Boten; sie brachten Meldungen für Caesar und - möglicherweise - den Senat, und aus dem wenigen, was sie erzählten, ehe sie weiterritten, setzten die Bewohner von Arelate nach und nach eine Art Bild zusammen: von rasend schnell nahendem Unheil.
    Offenbar hatten sich fast alle gallischen Völker dem Aufstand angeschlossen, heilige Eide geleistet und zur gegenseitigen Sicherheit Geiseln ausgetauscht. Einige Stämme, die sich nicht beteiligen wollten, weil sie die Römer fürchteten, wurden von den anderen angegriffen; gallische Krieger hatten die Stadt Cenabum eingenommen und alle dort wohnenden Römer niedergemacht.
    Und sie hatten nun einen obersten Kriegsherrn, den Arverner Vercingetorix. Sein Vater Celtillus war vor Jahren von den eigenen Leuten getötet worden, weil er angeblich nach der Alleinherrschaft strebte; bei vielen hatte sich inzwischen die Erkenntnis durchgesetzt, daß gleichrangige, monatelang miteinander feilschende Stammesfürsten ungeeignet waren, gegen die römischen Legionen Galliens Freiheit zu wahren oder wieder zu erkämpfen. Anfangs, hieß es, hatten die Arverner auch Vercingetorix Widerstand geleistet, dann aber entweder ihre Ansichten geändert oder ändern müssen. Der junge Krieger, zum König ernannt, schickte aus seiner Hauptstadt Gergovia Gesandte zu allen Stämmen und beschwor sie, ihrem Eid treu zu bleiben. Nachdem sie ihm den Oberbefehl übertragen hatten, verlangte er von allen Stämmen Geiseln und die schnelle Abstellung von Kriegern. Außerdem setzte er fest, wie viele Waffen jeder Stamm bis wann herstellen sollte.
    Es hieß, er sei bei allem sowohl gründlich als auch streng. Die Gerüchte wurden möglicherweise wilder, je weiter sie sich von ihrem Ursprung entfernten; man sagte, bei größeren Vergehen lasse er die Schuldigen nach Anwendung aller Arten von Foltern verbrennen, bei geringeren schneide man ihnen die Ohren ab oder steche ihnen ein Auge aus und schicke sie zur Abschreckung der anderen heim.
    Rutilius hatte lange auf Anweisungen gewartet oder gehofft; nun ließ er die Mauern und Wälle verstärken, die Gräben vertiefen und rief neben römischen Bürgern auch die nichtrömischen Bewohner der Gegend zu den Waffen.
    Abends suchte er Aurelius auf, in der Schänke am Fluß, die nicht nur schmackhafte Fische, guten Wein und eine überdachte Terrasse oberhalb des Treidelpfads, sondern auch Gaststuben zu vertretbaren Preisen besaß.
    »Wollt ihr außerhalb der Mauern bleiben?« sagte er, nachdem er sich von Aurelius zu einem Becher Wein hatte überreden lassen.
    »Wie gefährlich ist es denn inzwischen? Ich habe hier noch keine Gallier mit bluttriefenden Lefzen gesehen.«
    »Kann bald kommen. Nach allem, was wir gehört haben.«
    »Wenn es soweit ist, kommen wir in den Ort. Oder ins Lager, wenn du uns aufnehmen magst.«
    »Dich jederzeit gern. Du könntest helfen. Der da ist nutzlos«, sagte Rutilius mit einem Blick auf Catullus, der an einem anderen Tisch mit einer Schankdirne geschmust, gefeilscht und offenbar Einigkeit erzielt hatte. Jedenfalls standen sie eben auf und gingen zur Außentreppe, die zu den Gaststuben des

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