Cäsar
bei dem gräßlichen Anblick. Doch am meisten empörte sich das Volk über die Zügellosigkeit der Bardyaier. Wenn diese die Hausherren totgeschlagen hatten, schändeten sie die Knaben und taten den Frauen Gewalt an. Ihre Mordgier war ohne Schranken, bis sich endlich Cinna und Sertorius zusammenschlossen, die Schlafenden in ihrem Lager überfielen und bis auf den letzten Mann niederhauen ließen.
Dann wurde gemeldet, Sulla habe den Krieg gegen Mithridates beendet, die verlorenen Provinzen zurückgewonnen und segle mit einem großen Heer nach Italien. Marius ließ sich zum siebten Mal zum Konsul wählen, fand aber seine frühere Spannkraft nicht mehr und ergab sich dem Trunk. Er starb am siebzehnten Tag seines siebten Konsulats. Jubel erfüllte die Stadt, und die Römer faßten neuen Mut, da sie sich von der Gewaltherrschaft erlöst glaubten. Aber bald merkten sie, daß nur der Herr gewechselt hatte und an Stelle des alten ein junger Tyrann getreten war. Mit grausamer Härte räumte Marius‘ Sohn die vornehmsten und angesehensten Männer beiseite. Schließlich wurde er von Sulla in Praeneste eingeschlossen, die Stadt wurde genommen, es gab kein Entrinnen. Da entleibte er sich.
III.
AM RHODANUS
Sie nahmen Wasser, Brot und Fisch mit und erstiegen den Felsen, der Massilias Hafen gegen wüste Winde schützte. Sie versahen sich mit kaltem Braten, Obst und Wasser für einen langen Marsch über die Mauer mit den hundert Türmen. Ohne Vorräte wanderten sie die Küste entlang und erörterten den viele Meilen westlich von Massilia ins Meer mündenden Kanal, den Marius hatte graben und später den Massilioten übergeben lassen; dort gebe es Schänken, sagte man, und die große Zollfestung, eine der Quellen des Reichtums der Stadt. Sie sprachen mit Fischern, Händlern, Zöllnern und städtischen Beamten; Aurelius‘ Griechisch - er hatte viel gelesen, aber selten gesprochen -, das nicht besonders gut gewesen war, begann beinahe einer Sprache zu ähneln, und Catullus hustete wenig und trank tagsüber nichts.
»Und jetzt?« sagte er am neunten oder zehnten Abend, als sie wieder in der Hafenschänke saßen, in der sie von Sasila und Qabil Abschied genommen hatten.
»Wie, und jetzt?«
Der Dichter tupfte verschütteten Wein mit etwas Brot vom Tisch, stopfte es in den Mund und sagte: »Waff jepf?«
»Du drückst dich allzu verständlich aus.«
»Ich meine, wie lange wollen wir hier wandern und deine Sprachkenntnisse aufbessern? Oder machst du das alles nur mit mir, damit ich weniger trinke?«
»Weniger trinken könntest du auch woanders.«
»Aber nicht so gut.« Catullus lächelte. »Der mit Barbarenkadavern gedüngte Wein hier ist arg… fettig. Selbst wenn man ihn großmütig verdünnt.«
»Meinst du wirklich, daß man das nach all den Jahrzehnten noch schmeckt?«
»Jedenfalls ist es eine gute Ausrede. Willst du noch lange darauf warten, daß wir etwas Neues von Caesar hören?«
»Von Caesar, der nicht weiß, wer ich bin und daß Cicero mich als vergiftetes Geschenk zu ihm schickt? Oder über Caesar?«
»Wenn du anfängst, Wörter zu striegeln, weiß ich wenigstens wieder, warum ich mit dem Dichten aufgehört habe.«
»Warum eigentlich? Abgesehen von deiner Vorliebe für flatternde Verse und fürs namenlose Sterben?«
Catullus tauchte einen seiner langen Zeigefinger in den Becher, ließ einen Tropfen auf den Tisch fallen und verteilte ihn als kreisförmige Feuchtigkeit. »Lange Zeit«, sagte er, »ist mir nichts eingefallen, was ich hätte aufschreiben wollen. Dann wurde mir klar, daß ich fertig war. Bin. Fertig, verstehst du - erledigt.«
»Versteh ich nicht.« Aurelius schüttelte den Kopf. »Solange du trinken und husten kannst, bist du noch nicht tot. Was heißt erledigt?«
»Ich habe meine Verse zusammengestellt. Ah, mein bimssteingeglättetes Büchlein aus feinem Pergament… Die langen und kurzen, die feierlichen und die groben; so zusammengestellt, daß sie einen… einen Regenbogen ergeben. Es gibt keine Farbe, die ich noch hinzufügen könnte. Alles Weitere wäre überflüssig.«
»Fang einen neuen Regenbogen an. Oder stell deine nächsten Verse so zusammen, daß sie ein Tier ergeben, ein Standbild, ein paar Wolken.«
Catullus riß wieder ein Stückchen Brot ab und tupfte den Weinkreis auf, den er eben gezeichnet hatte. »Verse, die uns mit Wein umzingeln?« murmelte er.
»Oder hat es doch mit der Frau zu tun?«
Der Dichter bleckte die Zähne. »O meine Lesbia! Ich war besessen, aber das ist
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