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Cäsar

Cäsar

Titel: Cäsar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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stützte sich auf das Geländer der Schänke und blickte starr über den Fluß, als verbärge sich zwischen den Weiden des anderen Ufers eine unangenehme der möglichen Zukünfte. »Rutilius kennt mich nicht, und ich verlasse mich darauf, daß du mich nicht verrätst.«
    »Meinst du, er zürnt dir wegen einiger Spottverse? Ich glaube, da schätzt du ihn falsch ein.«
    »Mag sein. Ich will aber namenlos versickern. Wenn es sich nicht vermeiden läßt, daß er mich sieht, bin ich, uh, dein Küchenhelfer Valerius.«
    Aurelius lachte. »Na gut, Küchenhelfer. Aber wahrscheinlich sieht er dich sowieso nicht. Ich muß ja zu ihm, wegen Cicero, und an mich wird er sich nicht erinnern. Ich nehme an, morgen zieht er weiter. Wenn er mich mitnehmen will, kannst du immer noch entscheiden, ob du mitkommen oder lieber gleich hier versickern willst.«
    Kurz vor Sonnenuntergang ging Aurelius in den Ort. Er hatte damit gerechnet, alles überfüllt von Caesars Soldaten zu finden, aber in Arelate herrschte kaum mehr Betrieb als an jedem anderen Tag. Vom Hang des Hügels, auf dem die eigentliche Festung lag, war das Schwemmland nördlich der Stadt gut zu überblicken. Auf den Weiden grasten neben den Kühen umwohnender Bauern und den wenigen Pferden der Festung die Reit-, Zug und Packtiere von Caesars Truppen; am Fluß und weiter östlich, am Fuß der Hügelkette, zogen sich, von der sinkenden Sonne zu glimmenden Perlen verwandelt, zahllose Zelte hin. Aurelius berechnete die Truppen überschlägig und kam zu dem Schluß, daß Caesar fast drei Legionen mitgebracht haben mußte, an die fünfzehntausend Mann, allerdings mit kargem Troß: Zeichen großer Eile. Vielleicht würden in den nächsten Tagen die üblichen Mengen von Händlern, Dirnen und sonstigem Gefolge eintreffen.
    Für Eile sprach auch, daß hier, wo keine unmittelbare Gefahr drohte, kein richtiges Lager mit Graben, Wall und Palisaden angelegt worden war. Das mochte aber auch Rücksicht auf die Bauern der Gegend sein. Rücksicht aus Eigennutz: Die Versorgung des Heeres war immer so schwierig, daß es irgendwann auf jeden Halm ankommen konnte. Und den guten Willen der Bauern.
    Vor dem aus Steinen, Mörtel und Balken gebauten Haus des Befehlshabers der Festung standen vier Wachtposten. Gewöhnlich begnügte sich Rutilius mit einem. Aurelius schloß einen Moment die Augen, atmete tief durch und verabschiedete sich im Geiste von seinen bisherigen Leben. ›Dem Übergang zwischen ihnen und dem nächsten‹ verbesserte er sich dann; der letzte Lebensabschnitt hatte an dem Morgen geendet, als Cicero und Volturcius das Contubernium betraten.
    Einer der Wächter ging ins Haus, kam sofort zurück und legte die Hand auf die Brust. »Du kannst eintreten«, sagte er.
    Mit dem schwachen Versuch eines Scherzes sagte Aurelius: »Ich kann oder ich soll?«
    »Du muß.« Der Posten grinste.
    Am Beratungstisch des größten Raums saßen Rutilius, sein Stellvertreter, etwa zwei Dutzend weitere Männer und Caesar. Vor sich hatten sie Becher, Krüge, Schreibhalme, Papyrus und eine riesige Karte Galliens: auf Leder genähte Papyrusstükke. An einem kleineren Tisch saßen mehrere Schreiber und Zeichner, die offenbar auf Anweisungen warteten. Bei ihnen war einer, den Aurelius noch gut kannte: Aulus Hirtius, Herr der Schriften und Listen; er grinste und nickte, als er Aurelius sah. In der fernsten Ecke hockten um einen weiteren Tisch vier langhaarige Männer - Gallier, vermutlich Kundschafter.
    Aurelius hatte den Feldherrn zum letzten Mal vor zweieinhalb Jahren gesehen, in Britannien und auf der Rückfahrt. Danach im Kampf gegen die Bellovacer, war Aurelius verwundet worden und vor der Abreise, nach der Entlassung, nicht mehr mit Caesar zusammengetroffen.
    Eigentlich hatte er erwartet, den Mann ausgezehrt und mit inzwischen völlig kahlem Schädel zu sehen. Aber es gab noch ein paar Haare, der Rücken der Habichtsnase war nicht schärfer, die Backenknochen nicht höher als damals. Und die Augen blickten immer noch durchdringend.
    Aurelius wußte, wer die anderen am Tisch waren - wer sie sein mußten jedenfalls. Drei Legionen, also drei Legaten, dazu wohl von jeder Legion ein paar Tribunen und die ranghöchsten Centurionen; er hatte selbst als zweithöchster Centurio von Caesars prätorianischer Kohorte an solchen Beratungen teilgenommen und kannte das Verfahren. Aber keiner der Anwesenden zählte noch, als Caesars bohrender Blick ihn traf. Als sich das Bohren in eine seltsame Wärme zu verwandeln

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