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Cäsar

Cäsar

Titel: Cäsar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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vergewaltigte. Wer unter solchen Umständen die Macht erringt, mag der Erste sein, kaum der Beste. Das anmutige Flämmchen seiner Liebschaften mit Schauspielerinnen erlischt unter den Sturzbächen aus Blut.
    Daß tugendhafte Männer von Adel ihm weniger das Blut als die Liebschaften vorwerfen, verleitet zu der Mutmaßung, daß im Fall ihrer Wahl zu hohen Ämtern Umsturz nicht der einzige Weg ist, den größten Schurken an die Spitze zu bringen.

IV.
ALESIA
    »Dreizehn Kohorten«, sagte Catullus. »Also sechstausendfünfhundert Mann, ungefähr. Fünfzehn turmae, also nicht ganz fünfhundert Reiter. Und Offiziere und Stäbe und Knechte und Packtiere. Und Sklaven.«
    »Und ein nutzloser Dichter«, knurrte Aurelius. »Was hat sie gesagt, wörtlich, als sie zu dir gekommen ist?«
    Sie waren abgestiegen, um die Pferde zu schonen und die tauben Beine zu bewegen, und führten die Tiere am Zügel. In Vienna hatten sie über die behelfsmäßige Brücke aus Kähnen den Rhodanus überquert und marschierten ziemlich genau nach Norden. Aurelius wollte versuchen, an diesem Tag mindestens zwanzig Meilen zurückzulegen. Die Schrittzähler gingen kurz hinter ihm und Catullus neben dem Wagen der Kartenzeichner. Die Grenze der Provinz war nicht besonders gekennzeichnet; irgendwo im Hügelland am Westufer des Flusses würden sie sie wahrscheinlich morgen überschreiten.
    Natürlich hatte er Aufklärer vorausgeschickt, die auch weiter westlich feststellen sollten, wie die Lage war. Aber eigentlich konnte man davon ausgehen, daß hier noch keinerlei Gefahr drohte. Deshalb nahm er an, daß sie bis kurz vor Sonnenuntergang marschieren konnten, ohne kostbare Marschzeit für einen Lagerbau zu vergeuden.
    Der fleischgewordene Traum der vergangenen Nacht wurde ihm immer unwirklicher. Und zu all den Fragen, die er Kalypso nicht hatte stellen können, kamen andere, auf die er von Catullus Antworten erhoffte. Aber ob der Dichter nun einen verdrehten Tag hatte oder sich einer besonderen Form von angewandtem Hohn befliß - er wich dem Antworten aus und stellte umwegige Berechnungen an. Als wären sie nicht schon tagelang unterwegs gewesen, vor Vienna, und als hätte er nicht vor vielen Jahren im Gefolge eines Politikers mit dessen Truppe Bithynien und andere Teile Asiens aufgesucht.
    »Acht Mann in einem Zelt, und weil ihr acht Mann wart, habt ihr eure Schänke nach dem Zelt Contubernium genannt. Lassen wir die Reiter beiseite, dann macht das ungefähr achthundert Zelte, und ein paar mehr für Offiziere und Troßknechte.«
    »Und eine Schieferplatte für das Grab eines widerwärtigen Dichters«, sagte Aurelius. »Darauf werde ich schreiben…«
    »Sie hat gesagt: ›Wo ist er?‹ Hilft dir das weiter?« Catullus schnaubte. »Alle siebzehn Tage kriegt jeder Soldat Getreide. Ungefähr zweitausendfünfhundert Weizenkörner für jeden Tag. Und Essig und Speck und ein bißchen harten Käse.«
    »Was willst du mit all diesen Zahlen?«
    »Sag ich dir, wenn ich fertig bin. Falls ich je fertig werde.«
    »Wieso hat sie gewußt, daß du etwas mit mir zu tun hast? Und wieso hast du gewußt, wen sie meint - von wegen ›wo ist er?‹? Könnte doch auch ein anderer sein. Beim Aufbruch vom Contubernium hat sie dich nicht gesehen; du hattest schamhaft dein räudiges Haupt verhüllt.«
    »Weizenkörner. Und der Hilfsquästor, der weiter hinten seinen eisenbeschlagenen Karren wundreitet, hat Kisten mit Münzen. Hundertfünfzig Denare, uh, sechshundert Sesterze für jeden Mann für ein Jahr. Oder inzwischen mehr? Oder haben die schon was gekriegt? Also, was die holde Frau angeht, so hast du zwar standhaft geschwiegen, aber es war nicht schwer zu erraten, daß es dich erwischt hatte.«
    »Mag sein, daß du es erraten hast. Vielleicht habe ich im Schlaf geredet. Aber wieso weiß sie…«
    »Wir sind uns schon einmal begegnet, in meinem früheren Leben.«
    »Ah.«
    »Genau, ah. Kriegen die Jungs das ganze Geld am Anfang ausgezahlt?«
    »Dreimal je ein Drittel, am Anfang des Jahres, in der Mitte, am Ende. Sie kriegen aber nur ein paar kleine Münzen; der Rest bleibt beim Quästor, und davon werden die Verpflegung und anderes abgezogen. Wo seid ihr euch begegnet? Und wieso weiß sie, daß wir hier einander zu ertragen haben?«
    »Sie hat nach Aurelius gefragt, in der Festung, nehme ich an. Dann ist sie in das Gebäude gekommen, hat mich gesehen, hat gelächelt und gesagt: ›Gaius Valerius Catullus ist tot, hörte ich. Ein wandelnder Toter. Will er tot bleiben?‹ Und

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