Cäsar
von unwirschen Dorfbewohnern, fanden aber keine feindseligen Zusammenrottungen oder gar Kriegertrupps. Aurelius beriet sich mit den erfahrenen Centurionen; sie kamen überein, daß es zunächst noch keine Gefahr gebe, daß man also weiter lange marschieren und auf schützende Lager verzichten könne.
Am dritten Tag, dann zwei und abermals drei Tage später erhielten sie Nachrichten von Caesar, der mit seinen Reitern schneller vorankam und Aurelius anwies, bestimmte Strecken zu wählen, andere zu meiden, hier im letzten Jahr angelegte Getreidevorräte mitzunehmen und dort einem Stammesfürsten sanft, aber nachdrücklich auf die Zehen zu treten.
Aber das gute Vorfrühlingswetter endete, als sie weiter nach Norden gelangten. Am vierten Tag nach dem Aufbruch aus Vienna überquerten sie einen Höhenzug, und an dessen Nordseite war noch Winter. Schneeregen machte die Wege tief und das Marschieren beschwerlich. Wieder und wieder blieben Karren in Morast stecken, und an einem Nachmittag in den Hügeln des Häduerlands wurden sie von einem Schneesturm überrascht, der bis zum folgenden Morgen dauerte.
Eine der Wirkungen von Kälte und Feuchtigkeit war, daß Catullus wieder mehr hustete, kaum noch aß und mit dem restlichen Wein redete - »ehe er auch zu Essig wird und nicht mehr antwortet«. Aber Aurelius hatte kaum Zeit, sich um den Dichter zu kümmern. Zunächst nahmen der lange Zug und die Schwierigkeiten ihn in Anspruch, und dann erreichten sie ihr Ziel, Caesars Lager. Und den Krieg.
Agedincum war die Hauptstadt der Senonen - gewesen. Die meisten Bewohner hatten den Ort verlassen. Aurelius fand nie heraus, ob sie von den Römern vertrieben, vor ihnen oder vor den drohenden Auseinandersetzungen mit gallischen Heeren geflohen waren. Angeblich hatten hier an die dreißigtausend Menschen gewohnt, aber von ihnen waren kaum mehr als tausend geblieben.
Es gab einige Tempel, ein Ratsgebäude, eine große Burg und zwei Markthallen; von den Geschäfts und Wohnhäusern war etwa die Hälfte aus Stein, der Rest aus Holz gebaut. Die sechs Legionen, denen die Stadt als Winterlager gedient hatte, waren nicht untätig gewesen: Die ursprüngliche Befestigung des Orts war erhöht, hier und da erweitert, durch Gräben und Türme ergänzt worden.
Noch von unterwegs hatte Caesar Marschbefehle an die zwei Legionen geschickt, die bei den Treverern im Winterlager waren, außerdem an die Truppen unter Decimus Iunius Brutus, die bei der Arvernern für Unruhe sorgten. Die beiden Legionen bei den Lingonen nahm er sozusagen mit und hatte so alles in Agedincum zusammengezogen. Nach dem Eintreffen von Aurelius und seinen Leuten war die Stadt überfüllt von mehr als elf Legionen samt Troß und Knechten und Sklaven, etwa fünfundsiebzigtausend Menschen.
Die eigentliche Stadt samt Burg lag auf dem Ostufer der Icauna; da aber keine unmittelbare Gefahr drohte, hatte Caesar seinen Stab auf der nur teilweise befestigten Insel im Fluß zusammengezogen. Aurelius schickte einen Centurion zur Burg, wo er den Lagerpräfekten vermutete; er selbst begab sich zur Brücke, dann auf die Insel.
Der erste hochrangige Offizier, dem er begegnete, war der Legat Marcus Antonius. Aurelius wußte, daß Caesar den jungen Mann schätzte und förderte. Man sagte, er sei ein guter Reiterführer, habe vor einem Jahr in Rom das Amt des Quästors vor allem genutzt, um Caesars Gegner zu behindern, verbringe im übrigen seine Zeit am liebsten mit Frauen, Wein und Würfelspiel. Daß er an diesem Nachmittag deutlich nach Wein roch, minderte seine Stellung als Herr einer Legion keineswegs; außerdem - Wein oder nicht - wirkte er völlig nüchtern.
»Der evocatus Quintus Aurelius?« Antonius verschränkte die Arme vor der Brust und musterte ihn aufmerksam. »Ich habe schon einiges gehört. Deine Truppen?«
»Meine Centurionen verhandeln eben mit dem Lagerpräfekten über die Unterbringung.«
»Centurionen können so was besser.« Antonius zwinkerte. »Komm mit; es wird sowieso gerade beraten.«
»Dann sollte ich später…«
»Unsinn. Du solltest jetzt. Der Häuptling wird wissen wollen, wie der Weg war und was die Leute machen.«
Antonius ging sehr schnell; Aurelius hatte Mühe, ihm hinkend zu folgen. Zwischen den Steinhäusern auf der Insel waren fast nur Offiziere zu sehen, kaum Soldaten und nur ein Gallier, der ihnen entgegenkam, als sie das größte Gebäude erreichten. Antonius winkte ihm, sich ihnen anzuschließen. Der Mann war verdreckt und hatte das Gesicht halb
Weitere Kostenlose Bücher