Cäsars Druide
entstanden außerhalb des Lagers noch mehr Bordelle, noch mehr Garküchen und noch mehr Weinstuben. Jeder Legionär, so klein und pockennarbig er auch sein mochte, wurde von den keltischen Huren und Bauern wie ein vornehmer Herr empfangen. Er konnte nach Knoblauch stinken und wie ein alter Hund furzen, für die Menschen in der Umgebung war er ein von Esus gesandter Prinz. Er brachte Geld. Viel Geld. Und dreißigtausend Legionäre brachten noch mehr Geld. Diesen Kelten hatte Cäsar nicht Tod und Verderben gebracht, sondern den wirtschaftlichen Aufschwung. Selbst Helvetier, die Cäsar vor kurzem noch erbittert bekämpft hatten, bewarben sich nun bei den Präfekten um eine Anstellung in der Legion. Und Cäsar war nicht nachtragend. Für ihn zählte die Leistung. Er gab deshalb die Order, daß auch adlige Helvetier mit ihrer gesamten berittenen Gefolgschaft geschlossen seiner Auxiliarkavallerie beitreten konnten. Cäsar war nur an Reitern interessiert.
Auch mir gegenüber zeigte er sich großzügig. Ich erhielt eine Prämie in Höhe von zwei Jahreslöhnen. Es war ein seltsames Gefühl, von Cäsar etwas entgegenzunehmen, was dieser zum Teil meinem eigenen Volk gestohlen hatte. Aber hätte irgendein adliger Helvetier oder Rauriker mir jemals auch nur eine Sesterze geschenkt? Hatte man mir nicht selbst das Tor zum Druidenberuf verschlossen? Ich weiß, mittlerweile zog ich Wandas Körper den himmlischen Gestirnen vor, aber factum war, daß ich nie die Möglichkeit gehabt hätte, Druide zu werden. Selbst wenn ich es gewollt hätte. Und das machte mich wütend. Ich brauchte diese Wut, um Cäsars Geschenk annehmen zu können. Sein Arm ruhte auf meinen Schultern, als er selbst mir die Silberdenare aushändigte. Seine Augen waren sanft und milde und boten mir erneut seine Freundschaft an. Ich widerstand nicht mehr. Cäsar hatte mir mehr geboten als jemals irgendein fremder Kelte! An jenem Tag war ich zum ersten Mal wirklich stolz darauf, sein Druide zu sein.
Wenig später diktierte mir Cäsar bereits die Fortsetzung seines Rechtfertigungsberichtes: »Den Häduern gestattete Cäsar auf ihre Bitte, die Bojer, die als Leute von seltener Tapferkeit bekannt waren, in ihrem Lande anzusiedeln. Die Häduer gaben ihnen also Ländereien und gewährten ihnen (später) dieselbe rechtliche und bürgerliche Stellung, die sie selbst hatten.«
Ich mußte innerlich schmunzeln, als ich diese Zeilen schrieb. Denn jeder halbwegs intelligente Mensch in Rom würde sich wundern, daß die Häduer, die Cäsar ja angeblich um Hilfe gerufen hatten, ihn nun darum baten, die Bojer, die ja angeblich mit den anderen Auswanderern ihre Felder verwüstet hatten, in ihrem Land aufnehmen zu dürfen. Während des Diktats brachte Ursulus Tafeln, die man im helvetischen Lager gefunden hatte. Auf diesen Tafeln war in griechischer Schrift festgehalten, wie viele Waffenfähige, Kinder, Greise und Frauen an der Auswanderung teilgenommen hatten. Die Zahlen waren für Cäsar eher ernüchternd. Er konnte von Glück reden, daß Ursulus nicht Griechisch lesen konnte. Die Tafeln sprachen von insgesamt hundertvierundachtzigtausend Personen, davon sechsundvierzigtausend Waffenfähigen. Überlebt hatten fünfundfünfzigtausend Menschen. Somit hatten Cäsars Legionen innerhalb weniger Wochen weit über hunderttausend Menschen niedergemetzelt und ausgeplündert. Cäsar ließ sich verdünnten Wein bringen. Gespannt warteten Aulus Hirtius und ich auf die Fortsetzung des Diktats. Schließlich diktierte Cäsar weiter:
»Die Summe belief sich auf 263.000 Helvetier, 36.000 Tulinger, 14.000 Latobriger, 23.000 Rauriker und 32.000 Bojer; darunter befanden sich gegen 92.000 Waffenfähige. Alles in allem waren es gegen 368.000 Köpfe. Die Anzahl derer, die in ihre Heimat zurückkehrten, betrug nach der von Cäsar befohlenen Zählung 110.000.«
Cäsar hatte jede Zahl verdoppelt. So einfach wurde Geschichte geschrieben. Es ist stets die Geschichte der Sieger.
VII.
Während Cäsar von seinem Sieg über die Helvetier berichtete, starben in den Sanitätszelten täglich Dutzende von Legionären. Jeden Morgen erstattete Antonius, der erste Medicus, Bericht über die Zahl der in der Nacht Verstorbenen. Wer schwer verletzt war, starb schnell. Während man Fleisch- und Knochenwunden relativ erfolgreich behandeln konnte, stand man inneren Verletzungen machtlos gegenüber. Heikel waren auch offene Fleischwunden, die sich entzündeten und Eiterherde bildeten. Dem ersten Medicus, Antonius, standen
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