Cäsars Druide
etwas betrübt. Schließlich war dieser Gaius Julius Cäsar jener Mann gewesen, der den Häduern trotz Freundschaftsvertrag jegliche Hilfe gegen den Aggressor Ariovist verweigert und wenig später ausgerechnet diesem Ariovist den Titel ›König und Freund des römischen Volkes‹ verliehen hatte. Alle Blicke waren nun auf den Druiden Diviciatus gerichtet. Er mußte darauf antworten. Diviciatus schwieg eine Weile. Schließlich wandte er sich an Divico und sprach mit dem ganzen Stolz und der Überheblichkeit des keltischen Druiden: »Divico, das Rom, das du besiegt hast, existiert nicht mehr. Wir leben in Frieden mit Rom. Rom nimmt seine Verträge ernst.«
»Welche Verträge meinst du?« krächzte Piso erneut. »Meinst du den Freundschaftsvertrag mit den keltischen Häduern oder den Freundschaftsvertrag mit den germanischen Sueben?« Sein Gefolge lachte wieder dümmlich. Offenbar war dies für sie das größte Vergnügen.
»Großer Divico«, wandte sich Piso nun an den greisen Fürsten der Tiguriner, »ihr solltet auch einen Freundschaftsvertrag mit Rom abschließen. Dann seid ihr die Herrscher am Atlanticus, und viele gallische Stämme werden eure Klienten werden. Für einen solchen Vertrag braucht ihr nur einen Fürsprecher in Rom.«
Divico schwieg. Piso krächzte weiter: »Großer Divico, die Zeiten, in denen man mit ein paar tausend Leuten durch die Gegend spazieren und ein paar Legionären den Arsch aufreißen konnte, sind vorbei. Die Welt besteht jetzt aus Grenzen. Verträge sichern diese Grenzen. Verträge bieten Schutz und Sicherheit. Verträge sind wertvoll. Deshalb sind sie auch so teuer. Der Ägypterkönig Ptolemaios XII. hat Cäsar und Pompeius für einen solchen Vertrag 144 Millionen Sesterzen geschenkt. Ihr Kelten, ihr seid das Volk des Goldes! Ihr habt doch genug Gold, um den besten aller Verträge abzuschließen! Folgt dem Beispiel des Ägypters. Er hat bei meinem Herrn Lucceius eine Anleihe aufgenommen.«
Obwohl Divico dieser personifizierten Ausgeburt von Charakterlosigkeit und moralischer Verkommenheit am liebsten den Kopf abgeschlagen hätte, begriff er sofort, daß Piso über wertvolles Wissen und große Möglichkeiten verfügte. Man sah Divico an, daß er sich mächtig beherrschen und überwinden mußte: »So sei mein Gast, Römer, und laß dich in meinem Haus bewirten.«
Man kann uns Kelten eine Menge nachsagen, aber die Gastfreundschaft ist ein hohes Gut. Es wäre unhöflich gewesen, den Römer stehend im Freien in ein längeres Gespräch zu verwickeln, ohne ihm Speis und Trank unter dem eigenen Dach anzubieten. Na gut, die Einladung hatte auch den Vorteil, daß nicht jeder mithören konnte.
Divico schaute kurz zu mir rüber und nickte mir und Basilus ebenfalls zu. Das war eine Einladung keltischer Art. Er zollte damit den beiden einzigen Überlebenden unseres Dorfes seine Achtung. Die Menge löste sich auf. Einige tuschelten über den romfreundlichen Häduer-Druiden Diviciatus, andere lobten seinen Bruder Dumnorix, einen eingefleischten Romhasser, der die Tochter des verstorbenen Orgetorix geheiratet hatte, und wieder andere tauschten Beobachtungen über den Flug der Vögel aus, der angeblich nichts Gutes verhieß. Ich war begeistert. Basilus auch. Wir hatten stets von Massilia geträumt, aber jetzt hatten wir plötzlich den Duft von römischen Senatorentogen, Sesterzen und Intrigen geschnuppert.
Divicos Langhaus war das Langhaus eines keltischen Fürsten. Es war prunkvoller als alles, was ich jemals zu Gesicht bekommen hatte. An den Wänden hingen farbige Stoffe mit Mustern, die ich noch nie gesehen hatte. Die Erdpodeste waren teilweise mit Bärenfellen ausgelegt. Wir saßen in einem weiten Kreis auf dem mit frischem Stroh bedeckten Boden. Divico selbst saß auf einem Löwenfell, das ihn bestimmt eine Menge gekostet hatte. Hinter ihm stand sein persönlicher Schildträger. An den Wänden hingen kostbar verzierte Schwerter und römische Feldzeichen und Adler, Kriegsbeute von seinem legendären Sieg an der Garumna. Ein römischer Sklave reichte Divico einen vergoldeten Kelch aus massivem Silber. Er war mit Wein gefüllt. Divico nahm einen Schluck und reichte den Kelch dem Tigurinerfürsten Nammejus. So machte der Weinkelch die Runde, bis ihn der Sklave erneut auffüllte. Mittlerweile hatten sich noch andere Tiguriner zu uns gesellt, Druiden und Adlige aus Divicos Führungsstab.
»Trinkt ihr den Wein immer unverdünnt?« Piso hielt den Weinkelch hoch und schaute fragend in die Runde. Der
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