Cäsars Druide
Aber wie die Germanen hatte auch er es nicht verstanden, diesen Sieg zu nutzen.
»Sei gegrüßt, großer Divico, Bezwinger des Konsuls Lucius Cassius, Held der Garumna, Fürst der Tiguriner und Führer der Helvetier!« versuchte ich mit einigermaßen kräftiger und lauter Stimme zu sagen. Für keltische Verhältnisse war meine Aufzählung eher knapp. Wir Kelten schätzen nichts so sehr wie Lob, das öffentlich vorgetragen wird. Entsprechend nachtragend sind wir bei der kleinsten Form von öffentlicher Beleidigung. Ich reichte Divico als erstes den goldenen Torques von unserem Postulus.
»Er gehörte Postulus, dem Ältesten unseres Hofes.«
Divico nahm den Torques und musterte mich neugierig.
»Zeig mir dein Messer, Korisios!«
Ich war überrascht. Er kannte meinen Namen und wollte mein Messer sehen. Ich reichte es ihm. Er schaute es kurz an. An der Klinge klebte noch getrocknetes Blut. Als er hochsah, reichte ich ihm auch das Opfermesser.
Auch am Opfermesser klebte noch Blut. Jetzt trat ein weiterer Mann an die Seite von Divico. Ein Druide, den ich noch nie gesehen hatte. Er war groß und hager, seine Wangen waren tief eingefallen. Das gekräuselte lange Barthaar war schwarz und hatte nur vereinzelte weiße Haare. Er betrachtete das Opfermesser, roch daran und fuhr mit dem Finger über die blutverkrustete Klinge. Dann nickte er Divico zu.
»Korisios, Krieger aus dem Stamm der Rauriker, an diesem Messer klebt das Blut des Ochsen und das Blut der Sueben. Du bist der Mann, von dem der Druide Santonix sagt, er wolle Druide werden. Aber die Götter haben dich dazu auserkoren, den Adler zu zerschmettern. Ich werde unser Volk an den Atlanticus führen, und du wirst den Adler zerschmettern.« Er schaute kurz auf Lucia hinunter. Zugegeben, Basilus hatte mir ohne Zweifel einen kleinen Gefallen erweisen wollen, als er den Tigurinern von den Prophezeiungen des Santonix und von meiner Heldentat erzählt hatte, aber allmählich hatte ich den Eindruck, daß Basilus seine Geschichte etwas zu stark ausgeschmückt hatte.
Divico musterte Wanda und fragte mich: »Wer ist dieses Weib?«
»Das ist meine Frau«, antwortete ich. Im selben Augenblick hätte ich mir den Schnurrbart ausreißen können. Wenn ich eine Frau hatte, konnte ich nicht mehr Druide werden. Wanda zeigte keine Gefühlsregung.
»Bringt ihnen heißes Wasser und frische Kleider«, befahl Divico den Umstehenden. Er musterte mich eindringlich, als wolle er prüfen, ob ich ihn beschummelt hatte. Ich wagte nicht mehr nach Basilus zu fragen. Wenn Divico ein Bad befahl, dann hatten wir ein Bad zu nehmen.
Ich kniete in einem Faß und hatte beide Arme auf dem Rand aufgestützt, der mit einem Fuchsfell gepolstert war. Die Frau des Faßbinders kam mit einem neuen Eimer heißen Wassers. Ich legte meinen Kopf auf die verschränkten Arme und schloß die Augen, während mir das Wasser über Kopf und Schultern floß. Langsam ließ der ziehende Schmerz in meinen Muskeln nach. Allmählich konnte ich wieder die Glieder strecken, ohne gleich befürchten zu müssen, die Muskulatur würde zerreißen. Ich nahm das runde Amulett in die Hand und küßte es. Ich glaube, Taranis hat mich beschützt, so wie er auch Onkel Celtillus beschützt hatte. Vielleicht hatten Regen, Blitz und Donner nur den Sueben gegolten. Es ist auch für einen Gott nicht einfach, ein derartiges Orchester von Naturgewalten zu dirigieren, ohne daß der eine oder andere Schützling dabei übersehen wird. Man muß auch Verständnis haben für seine Götter!
Ich war im offenen Langhaus der Familie des Turio, des Faßbinders. Nach hinten war das Langhaus offen und führte direkt in die Werkstatt. Es war angenehm warm, weil seine Leute in der Werkstatt zugeschnittene Faßdauben über dem Dampf bogen. In der Mitte des Wohnraumes waren mächtige Pfeiler, die tief im Boden versenkt waren. Dazwischen war eine große Feuerstelle, über die ein neuer Kessel mit Wasser gehängt wurde. Der heiße Dampf verteilte sich unter dem hohen Strohdach. An den mit Lehm verkleideten Flechtwerk-Wänden hingen farbige Stoffe. Darunter waren mit Hundefellen ausgelegte Erdpodeste, die als Schlafstätte oder als Sitzgelegenheit dienten.
Lucia wurde von einer Horde Kinder gewaschen und geschrubbt. Doch ihr ganzes Interesse galt den Knochen und Fleischresten, die man ihr vorlegte.
Und plötzlich stand er vor mir, mein Freund Basilus. Seine Augen leuchteten wie zwei fröhliche Monde in der Nacht. Den nackten Oberkörper hatte er in
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