Cäsars Druide
sein.
Divico hatte er jedenfalls in Wut versetzt. »Cäsar wird in der Provinz Gallia Narbonensis eine einzige Legion haben«, konterte er. »Das sind sechstausend Männer. Ich hingegen werde mehr Männer an den Atlanticus führen, als Rom jemals gesehen hat: hundertdreißigtausend Helvetier, achtzehntausend Tiguriner, siebentausend Latovicer, elftausend Rauriker und sechzehntausend Boier. Und davon sind sechsundvierzigtausend keltische Krieger. Selbst wenn Cäsar seine vier Legionen gegen uns führt, wird sein Name für immer in Vergessenheit geraten. Denn ich, Divico, werde ihn vernichten!«
Piso wurde plötzlich sehr ernst. Er erhob sich ebenfalls und stand nun Divico gegenüber. »Siege werden nicht nur auf dem Schlachtfeld errungen, großer Divico. Laß mich in Rom deine Sache vertreten. Ich werde den einflußreichen Männern Roms glaubwürdig versichern, daß es nicht in der Absicht des glorreichen Divico liegt, die römische Provinz zu verwüsten. Du hast genug Gold, um meine Dienste zu bezahlen.«
»Verlasse mein Haus«, brummte Divico, »du sollst nicht länger mein Gast sein.« Gekränkt wandte sich Divico von Piso ab. Divico war alt, ja, aber wie eine aus Eisen gegossene Esche. Ich begriff allmählich, wieso die Tiguriner erzählten, Divico könne allein mit seiner Präsenz eine ganze römische Legion in Panik versetzen. Er war ein Fels von einem Mann, eine Naturgewalt. Er war unerschrocken und jederzeit bereit, sein Leben zu opfern. Vor solchen Menschen fürchtete sich Rom.
Piso lächelte süffisant und spitzte die Lippen. Ich bin mir fast sicher, daß er noch etwas sagen wollte. Ich gab ihm heimlich ein Zeichen, daß er sofort verschwinden müsse. Ich verdrehte die Augen Richtung Ausgang und half diskret mit dem Zeigefinger nach. Doch der Kerl konnte es einfach nicht lassen. Er wollte unbedingt das letzte Wort haben.
»Divico …«, begann er von neuem. Divicos Faust krachte in sein Gesicht und zerschmetterte ihm das Nasenbein. Piso stürzte der Länge nach hin. Die Hühner flatterten gackernd zur Seite. Piso wischte sich das Blut von den Lippen und starrte Divico erstaunt an. Er wollte noch etwas sagen, doch ich schüttelte derart heftig den Kopf, daß er mir dankbar zunickte und mit einem gequälten Lächeln das Langhaus verließ.
Uns war plötzlich allen klar, daß dieser Piso mit einem einzigen Ziel gekommen war: Er wollte Divico die Lage in Rom so schildern, daß dieser seine Dienste für Keltengold in Anspruch nahm.
Eine ganze Weile saßen wir schweigend beisammen. Schließlich brach Diviciatus das Schweigen: »Divico, du solltest Boten nach Rom schicken, zu den Senatoren Cicero und Cato. Sie sind geachtet und verstehen die keltische Sache, aber die Helvetier müssen begreifen, daß sie in Gallien nur mit Roms Freundschaft überleben können.«
Niemand antwortete Diviciatus. Das war das Zeichen, daß er gehen sollte. Er verabschiedete sich förmlich und verließ das Langhaus. Draußen hörten wir ihn zornig nach seinen Begleitern und Sklaven rufen.
Divico wandte sich an Verucloetius: »Druide, reite nach Genava und versuche dir in diesem Gestrüpp von Gerüchten und Lügen Klarheit zu verschaffen. Sorge dafür, daß kein Kelte die neue römische Reichsgrenze verletzt. Ich will keinen Krieg. Ich will an den Atlanticus.«
Verucloetius nickte. Divico griff nach dem goldenen Torques unseres Hofältesten Postulus und reichte ihn mir mit den Worten: »Dieser goldene Torques steht dir zu, Korisios. Oft haben mir unsere Druiden von jenem jungen Kelten erzählt, der in einem raurikischen Dorf am Fuße einer Eiche sitzt. Daß du zu mir gekommen bist, betrachte ich als ein Zeichen der Götter.« Dann wandte er sich wieder an den Druiden Verucloetius: »Nimm Korisios in deine Obhut und bringe ihn, so die Götter wollen, im nächsten Jahr in die heilige Schule der Druiden auf die Insel Mona.« Er erhob sich und sagte abschließend: »Ich will den Göttern opfern, denn ich habe die heilige Pflicht der Gastfreundschaft verletzt.«
Verucloetius begleitete mich hinaus und lächelte mir freundschaftlich zu. »Ich werde dich mitnehmen, Korisios, aber du liebst den Wein und das Fleisch zu sehr, als daß du Druide werden könntest. Andererseits haben wir auch Götter, die dem Wein und dem Weib sehr zugetan sind. In deinem Körper scheint es ihnen zu gefallen. Sie werden entscheiden, ob sie durch dich zu unserem Volke sprechen werden. Wenn die Zeit gekommen ist, werden wir es wissen. Aber noch wissen wir es
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