Cäsars Druide
Hause«, fuhr ich fort, »wir Kelten bringen unseren Mädchen Römerköpfe mit.«
»Ich werde diese Gallier nie verstehen«, sinnierte Rusticanus und starrte ins Leere. »Ich habe im Osten gedient unter Pompeius, ich war mit Cäsar in Spanien, aber hier in Gallien, in dieser Wildnis, wird es mir manchmal unheimlich: diese finsteren Wälder und heiligen Moore …«
»Hör auf«, schrie Ventidius Bassus, »das grenzt an Götterlästerung! Sind die römischen Götter etwa schlechter als die gallischen? Und stammt nicht Cäsar selbst von den unsterblichen Göttern ab? Hat er nicht zur Genüge bewiesen, daß er vom Glück begünstigt ist? Wir bringen den Wilden die Zivilisation!«
Mamurra wandte sich an mich: »Entschuldigung, Druide, aber was ist deine Meinung?«
»Wenn Ventidius Bassus unter Zivilisation Wein und Geschlechtskrankheiten meint, dann hat er absolut recht.«
Mamurra lachte laut auf. »Ventidius Bassus, mir scheint, der Druide hat mehr Verstand als du. Auf dem Sklavenmarkt würde ich für ihn auf jeden Fall das Hundertfache bezahlen!«
Alle lachten. Offenbar spielte Mamurra auch auf seine homoerotischen Neigungen an.
In diesem Augenblick stürzte L. Cornelius Balbus, Cäsars Geheimagent, in unser Zelt. Sofort erhoben alle ihren Weinbecher und riefen seinen Namen. Doch Balbus verlor keine unnötigen Worte: »Das Heerlager der zehnten Legion wird zum Basislager an der römischen Provinzgrenze ausgebaut. Cäsar hat sich mit seinen Legionen vereint und marschiert Richtung Lugdunum.«
»Er hat die römische Provinz verlassen?« schrie Rusticanus ungläubig.
»Ja, Rusticanus! Cäsar hat die römische Provinz verlassen! Cäsar kommt nicht mehr nach Genava. Er marschiert direkt auf die Helvetier zu. Er will ihnen den Weg abschneiden. Ich werde ihm mit der zehnten entgegeneilen. Cäsar wünscht, daß du das Lager hier zum befestigten Proviant- und Nachschublager ausbaust. Dreißig Meilen nordwestlich sollst du das nächste Proviantlager errichten. Wir brauchen eine durchgängige, stabile Proviantkette, die bis zu Cäsars Heer reicht.«
»Wieso überläßt er mir nicht die zehnte Legion?« fragte Rusticanus nervös.
»Die zehnte Legion ist die beste Legion, die Rom jemals gedient hat«, antwortete Labienus. »Jetzt dient sie Cäsar. Es ist seine Legion.«
»Ihr wollt mich doch nicht etwa alleine mit den frisch ausgehobenen Männern der elften oder zwölften Legion zurücklassen?«
Die Männer lachten und stießen auf den bevorstehenden Krieg an.
Am nächsten Morgen lief unser Apparat zur gezielten Verbreitung manipulierter Nachrichten und Ansichten auf Hochtouren. Gaius Oppius hatte die Briefe, die Cäsar seinem Agenten Balbus mitgegeben hatte, sorgfältig gelesen und diktierte nun im Namen Cäsars einen Brief nach dem andern. Aulus Hirtius saß hinter seinem Schreibtisch, die Feder schreibbereit in der Hand. Ich saß ihm gegenüber, tief über den Papyrus gebeugt, und schrieb immer noch. »… ist nicht nur der Konsul Lucius Cassius getötet worden, sondern auch der Urgroßvater meiner Gemahlin Calpurnia …« Cäsar hatte sich offenbar aus dem großzügigen Angebot, das ihm Gaius Oppius gemacht hatte, einen passablen Grund für seinen Angriff gegen das Volk des Goldes ausgesucht. Die Ehre. In Rom kam das immer gut an. Aber es war nicht nur die Ehre. Wenn Cäsar seinen Urgroßvater erwähnte, erwähnte er auch die gefürchteten Kimbernkriege! Wenn erneut die Gefahr bestand, daß Barbaren nach Süden zogen und möglicherweise nach Rom kamen, hatte Cäsar das Volk auf seiner Seite. Dann war er der vorausschauende Beschützer Roms! Ich muß gestehen, Cäsars Brief war äußerst raffiniert aufgebaut und formuliert. Ich war überrascht und beeindruckt.
Anschließend diktierte Gaius Oppius im Namen Cäsars einen Brief an Cicero: »Cäsar grüßt Cicero … hochgeschätzter Freund …« Aulus Hirtius schrieb ihn nieder. Gaius Oppius diktierte mit Hilfe von Cäsars Notizen einen haarsträubenden Brief, indem er Cicero in einer Angelegenheit um Rat bat, die er längst entschieden hatte. Gaius Oppius marschierte vor uns auf und ab, als wolle er Cäsars Mimik und Gestik vor Publikum einstudieren. Obwohl er körperlich mehr darstellte als Cäsar, blieb er in seiner gesamten Erscheinung nichts anderes als ein Offizier. Was bei Cäsar imponierte, kam aus dem Innern, aus der Tiefe. Das konnte man nicht einfach mit Gesten kopieren. Gaius Oppius diktierte konzentriert, ohne dabei aufzuschauen. Der nächste Brief
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