Cäsars Druide
war wieder für mich bestimmt. Ich hatte ihn gleich in griechischer Schrift niederzuschreiben, da der Empfänger nicht Lateinisch konnte. Obwohl er Druide war!
»Cäsar grüßt Diviciatus, den edlen Fürsten und weisen Druiden der Häduer. Mit großer Sorge vernehme ich, daß die kriegerischen Helvetier das Gebiet der Sequaner und Häduer durchqueren werden, um das Land der Santonen zu erreichen. Rom nimmt seine Bündnistreue ernst. Deshalb liegt mir viel daran, dich meiner Hilfe zu versichern, für den Fall, daß die kriegslüsternen Helvetier eure Äcker verwüsten, eure Städte erobern und eure Kinder in die Sklaverei verkauften sollten.«
Gaius Oppius wandte sich an Aulus Hirtius und setzte seinen Brief an Cicero fort, indem er die gemeinsame Freundschaft solcherart beschwor, daß man fast annehmen mußte, Cicero würde ihm bei jeder sich bietenden Gelegenheit in den Rücken fallen. Unter anderem bot er Ciceros Bruder einen Posten als Legat an, denn für seine neuen Legionärskommandanten seien nur Männer aus den edelsten Geschlechtern gut genug. Das war natürlich hanebüchen, denn Cicero war ein ›homo novus‹, kein alteingesessener Patrizier, sondern ein ›Neuer‹ und überdies nicht aus Rom. Aber noch schäbiger und verschlagener war Cäsars Hilfsangebot an die Häduer. Als sie ihn seinerzeit um Hilfe gegen Ariovist gebeten hatten, war er auf allen Ohren taub gewesen. Ich konnte nur hoffen, daß die Häduer, die ohnehin in ein prorömisches und ein romfeindliches Lager gespalten waren, dies nicht vergessen hatten. Gaius Oppius' ausgestreckter Zeigefinger hatte sich auf mich gerichtet. Sein Mund war spitz zusammengezogen. Jetzt strahlte er mich an, als sei ich einer seiner Komplizen: »Ich, Cäsar, Prokonsul der römischen Provinz Narbonensis, teile euch folgendes mit: Falls ihr, Häduer, die ihr euch so große Verdienste um das Wohl des römischen Volkes erworben habt, in Not geratet, so laßt es mich wissen, damit ich der Bündnispflicht Roms nachkommen kann, und händigt euer Hilfegesuch dem Boten aus, der euch diese Botschaft überbracht hat.«
Gaius Oppius grinste über beide Ohren. Diese Schlitzohrigkeit war nun wirklich der Gipfel an Heuchelei und Perfidie. Unermüdlich diktierte Gaius Oppius aufgrund von Cäsars Notizen Briefe unterschiedlichsten Inhalts an Freunde, Verwandte, Senatoren, vornehme Damen und Gläubiger. In jedem Brief wurde etwas anderes hervorgehoben. Für einige Senatoren sollte Cäsar der sich aufopfernde Patriot sein, für seine Gläubiger der gerissene Geschäftsmann, der eine Goldader entdeckt hatte und bald seine Schulden würde zurück bezahlen können. Für Cato hatte Cäsar in seinem Entwurf die Attribute eines sittenstrengen Römers angenommen. Ironischerweise sollte der Brief Cato von einer mit ihm verwandten Dame, die nicht gerade den besten sittlichen Ruf genoß, überbracht werden. Auch sie hatte Cäsar einst in Rom im Bett zur Verbündeten gemacht. Liebe war für Cäsar ein Geschäft wie jedes andere auch. Während man Männer mit allerlei Intrigen, Schachzügen, Bestechungen und Versprechungen in Schach hielt, wählte Cäsar bei Frauen stets das Bett, das Geschenk und die Diskretion. Gaius Oppius wußte als intimer Vertrauter Cäsars ganz genau, was er diktieren durfte und was nicht. Mit Ausnahme des Schreibens an Diviciatus würden ohnehin die meisten Briefe erst abgeschickt, nachdem Cäsar sie gelesen und mit seinem Siegel versehen hatte. Ich muß leider gestehen, daß mich dieser Mann, sosehr er mich auch anwiderte, nun doch zu faszinieren begann. So wie er seine Briefe diktierte, wie er Inhalte formulierte, konnte ich mir ein sehr präzises Bild vom Empfänger machen, und ich konnte mir sehr gut vorstellen, warum Cäsar einen bestimmten Punkt auswählte, mit dem er den Adressaten für sich zu gewinnen suchte. Allmählich begriff ich auch, daß die öffentliche politische Diskussion in Rom auf einer Ebene stattfand, die sich längst von der Wirklichkeit entfernt hatte. Im Grunde genommen waren sie allesamt Geschichtenerfinder, die sich auf gewisse Spielregeln geeinigt hatten. Im Gegensatz zu mir, der bei Mixturen nicht gerade eine glückliche Hand hatte, verstand es Cäsar meisterhaft, jedem einzelnen seine persönliche Mixtur an Lob, Nachrichten und Versprechungen zukommen zu lassen. Und so konnte er das öffentliche Leben in Rom selbst aus dem fernen Gallien mitgestalten. Über die Empfänger seiner Briefe blieb er Tagesgespräch. Kein Empfänger würde auf
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