Cafe con Leche
Ponferrada kommen wir auf
eine Schnellstraße. Die kurvenreiche Strecke lassen wir hinter uns. Heute geht
es bis nach Frankreich. Bordeaux ist unser Ziel. Dort wollen wir auf einem
Rastplatz nächtigen. Von Vilamartín de Valdeorras bis kurz hinter der
französischen Grenze rechts und links nur Berge. Nicht wie im Allgäu, alles
schön sanft. Nein! Hier ragen die Berge schroff und steil in den Himmel. Es
gibt kaum flaches Land. Hinter jeder Kurve, der nächste Berg. So zieht sich die
Landschaft dahin, bis wir die französische Grenze passieren. Das lange Sitzen
strengt meinen Rücken an und das Schreiben während der Fahrerei ist gar nicht
so einfach. Die letzten geschriebenen Blätter in meinem Tagebuch sehen so aus
wie hier die Landschaft. Hoch und runter! Was soll’s !, denke ich mir. In drei Tagen sind wir vielleicht zuhause. Circa fünfzig
Kilometer hinter der französischen Grenze verselbstständigt sich Oscars
Lkw-Hupe. Hup, hup, hup! Laut und non-stop! Oscar wird zunehmend nervöser und
hektischer. Die Lkws vor uns weichen hektisch nach rechts aus. Hilfe! Oh Gott!
Da kommt ein Irrer!
Der
Lkw hupt, was das Zeug hält. Oscars Ruhe ist nun endgültig vorbei. Er schaltet
die Warnblinkanlage ein und tritt auf die Bremse. Wir stehen auf der rechten
Fahrspur und die Hupe dröhnt. Zu allem Unglück gibt es keine Standspur und so
blockieren wir den Verkehr hinter uns. Sofort verursachen wir einen Stau. Nun
hupt nicht nur unsere Hupe, sondern die der anderen Lkw-Fahrer stimmen
verärgert mit ein. Oscar ist am Rande eines Nervenzusammenbruchs und schaltet
den Motor ab. Endlich ist Ruhe! Die Hupe kann sich erholen, bis Oscar den Motor
wieder startet und das Gehupe von vorne anfängt. Motor aus! Ich habe das
Gefühl, dass Oscar nicht weiß, was er tun soll. Leider kann ich ihm nicht
mitteilen, dass er nur die Sicherung der Hupe herausziehen muss. Das Wort
Sicherung steht nicht im Reiseführer. Bevor unsere Kinder da waren, bin ich mit
Josef mal im Urlaub gewesen. Da hat sich die Hupe während des Aussteigens aus
dem Wagen auch verselbstständigt. Nach einigem Suchen haben wir die Sicherung
dafür gefunden und diese entfernt. So hatten wir unsere Ruhe.
Aber
wie gesagt! Das Wort Sicherung finde ich nicht. So sitze ich gelassen im Lkw.
Oscar springt schwitzend und merde schreiend, durch die Kabine, hektisch die
Betriebsanleitung blätternd. Dann nimmt er einen Hochdruckschlauch und pustet
damit die Lenkung sauber. Motor an, es hupt immer noch wie wild. Ich zeige auf
die Armaturen und mache mit meiner Hand eine Ziehbewegung.
„Sicherung!”,
sage ich, obwohl Oscar mich gar nicht versteht. Nach einhundertausend Mal merde
schreiend und ständigem Geblätter in der
Betriebsanleitung, worin kein Absatz über Sicherungen zu finden ist, macht es
doch noch Klick bei ihm. Er öffnet den Sicherungskasten, der sich direkt vor
mir über dem Handschuhfach befindet und durch eine Abdeckung für mich nicht
sichtbar war. Endlich! Er zieht die Sicherung für die Hupe heraus. Motor an,
die Hupe ist verstummt. Dafür geht jetzt aber auch der Blinker nicht mehr und die
Armaturenanzeige hat auch ihren Geist aufgegeben. Oscar fasst sich verzweifelt
an den Kopf. Das Chaos in der Fahrerkabine und um uns herum ist perfekt!
Derweil klopft es an meiner Tür und jemand von der Gendarmerie fragt nach, ob
alles in Ordnung sei. Oscar nickt; ich nicke auch. Der Gendarm erhebt seinen
Zeigefinger und gibt uns bestimmend zu verstehen, dass wir weiter fahren
sollen. Während Oscar eine Diskussion mit dem Gendarmen beginnt, schaue ich im
Wörterbuch unter Hupe nach. Aha! La bocina!
„Oscar,
Elektrokabel la bocina!”, unterbreche ich die Unterhaltung und mache mit meiner
Hand wieder eine Ziehbewegung, während ich dem Gendarmen zulächle. Vielleicht
hilft ja ein wenig Charme! Oscar hat endlich verstanden! Er steigt aus und legt
sich vorne unter den Lkw. Ich knie hinter ihm und sage wieder: „Oscar, la
bocina!” Dann ein kurzes Ziehen, das Kabel ist von der Hupe getrennt. Sicherung
wieder rein, Motor an! Alles funktioniert wieder so wie vorher. Nur die Hupe
darf nicht mehr so, wie sie will.
Es
geht weiter nach Bordeaux, wo wir gegen zweiundzwanzig Uhr ankommen. Oscar
fährt von der Autobahn runter, in einen Vorort von Bordeaux. Dort treffen wir
Juao und Chris auf einem Parkplatz. Gott sei Dank! Mein Mädchen ist wohl
behalten und es geht ihr einigermaßen gut. Dafür macht Juao sich Sorgen um
Christine.
„Sie
will überhaupt nichts essen”, klagt er
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