Café der Nacht (German Edition)
die Frage nur halb im Scherz. Er fühlte eine eigenartige Unruhe in sich, ein unangenehmes Kribbeln. Und dasselbe pochende Nagen in seinem Hinterkopf, das er nach dem ersten Schock über die Nachricht von Monroes Tod schon einmal gespürt hatte.
„Es tut mir leid, Maxim.“ In Delas Stimme, ihren Augen lag Endgültigkeit. „Dean war ein Getriebener. Er hat in seinen wenigen Jahren mehr gelebt, als andere in einem ganzen Leben. Ich glaube, er hat seinen Frieden gefunden. Das hat er verdient, meinst du nicht?“
Maxim konnte nur nicken. „Ich bin derjenige, der nicht loslassen kann.“
Dela betrachtete ihn lange schweigend. „Ich will dir ein Geheimnis verraten. Jetzt, wo ich fortgehe, will ich es nicht mit mir nehmen. Ich finde, du hast ein Recht darauf, es zu erfahren.“ Aufmerksam sah Maxim sie an. „Ich bin sicher, Dean wäre einverstanden. Nur bitte, schweig darüber unbedingt.“
„Natürlich.“ Maxims Herz schlug schnell und heftig.
„Deans bürgerlicher Name ist Augustin von Rothenau. “
Im ersten Moment begriff er nicht, was Dela ihm da soeben gesagt hatte. Dann weiteten sich seine Augen. „Von Rothenau? Aber ...“
„Richtig. Nur deshalb bin ich hier. Er ist der Sohn des jetzigen Grafen. Lola nannte ihn nach dessen Vater, aber genützt hat es nichts. Und irgendwie wollte dieser Name nie richtig zu ihm passen. Wir haben ihn immer Tintin genannt.“ Sie lächelte in sich hinein. „Das Grab, das niemand kennt, es befindet sich auf dem Familienfriedhof im Schlosspark. Du solltest es besuchen.“
Maxim musste das erst einmal verdauen. All die Jahre hatte er sich genau diese Fragen gestellt, wie Monroes richtiger Name lautete, wo er begraben lag. Es war eigenartig, plötzlich die Antwort zu kennen. „Meine Güte.“ Maxim musste lächeln. „Augustin ... Augustin von Rothenau. Entschuldige, aber das ist jetzt ein kleiner Schock für mich.“ Er sah Dela an. „Alles, was ich über ihn wusste, drehte sich irgendwie um Lola. Und nun das. Das ist eine völlig andere Welt.“
„Dann kannst du dir vorstellen, wie es für ihn gewesen sein muss, als er nach Lolas Tod hierher gebracht wurde. Zu einem Vater, den er noch nie gesehen hatte.“
„Meine Güte“, wiederholte Maxim gedankenverloren.
„Niemand durfte von seiner Herkunft erfahren, sein Vater wollte das nicht und Dean ebenso wenig. Ich hatte kaum je Kontakt zur Familie. Erasmus von Rothenau ist ein schwieriger Mann. Solltest du ihn kennenlernen, wirst du schnell wissen, woher mein Neffe seinen Sturkopf hatte.“ Dela schwieg kurz und lächelte wehmütig. „Das Traurige ist, ich glaube, Erasmus hat Lola wirklich geliebt. Geradezu verfallen war er ihr. Aber seine Familie wusste ihn vor einer nicht standesgemäßen Heirat zu bewahren.“
„Wie haben sie sich kennengelernt?“
„Er hatte ihre Show gesehen und sie anschließend in der Garderobe besucht.“
„Romantisch.“
„Für eine Weile war es das sicher. Der Graf und die Tänzerin. Lola hat das gut gefallen.“
„Wie war Lola so? Wie war sie wirklich?“
Dela lächelte versonnen. „Wunderbar. Schrecklich. Man musste sie lieben. Und gleichzeitig war es unmöglich, sie zu lieben. Sie konnte sehr zärtlich sein, und dann wieder eiskalt.“
„Das klingt sehr vertraut.“
„Ja. Dean war ihr nicht ganz unähnlich. Er hing so an ihr. Er hätte alles für sie getan. Und das hat sie ausgenutzt. Das mag hart klingen, besonders, wenn es von der eigenen Schwester kommt, aber Lola hätte niemals ein Kind haben sollen. Sie war keine Mutter. Das lag ihr nicht im Blut.“
„Wusste sein Vater von ihm?“
Dela nickte. „Was die Familie betraf, hätte es dieses Kind nie geben dürfen. Also gab es ihn für Erasmus auch nicht. Bis Lola starb.“
„Und dann kam er hierher?“
„Ob er wollte, oder nicht. Und glaub mir, er wollte nicht. Die von Rothenaus sind vermögend, aber was macht das schon. Dean hat es hier genauso wenig ausgehalten, wie Lola es getan hätte.“
„Dann wäre er wohl wenig begeistert darüber, hier begraben zu sein.“
„In der Tat, das wäre er sicherlich nicht.“ Sie lächelte, griff über den Tisch und drückte Maxims Hand. „Ich bin froh, dass du es jetzt weißt.“
„Das bin ich auch. Sehr froh.“ Sie lächelten einander an. Maxim sah sie verschmitzt an. „Für mich wird er wohl trotzdem immer Monroe bleiben.“
Dela lachte. „Und das ist gut so.“
* * *
Am nächsten Morgen bat Dela Maxim nach einem gemeinsamen Frühstück nochmals auf
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