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Café der Nacht (German Edition)

Café der Nacht (German Edition)

Titel: Café der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susann Julieva
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etwas für mich tun. Ich muss so schnell wie möglich von München nach Rothenau im Spessart reisen. Dort muss ein Gasthof sein, in dem ich ein Zimmer benötige. Würden Sie das bitte organisieren? Und dann rufen Sie mich doch bitte gleich zurück ... Gut, bis dann also!“ Er legte auf und atmete tief durch. Eine unbestimmte Aufregung kribbelte in seinem Magen, wie er sie seit Jahren nicht verspürt hatte. Er hatte das Gefühl, einem Geheimnis auf der Spur zu sein. Zügig ging er zurück zum Foyer und blieb nur kurz vor dem Foto der Revoschizionäre stehen. Dann trat er durch die schwere Tür hinaus in die Kälte und machte sich auf den Weg.
     
    * * *

    Maxim saß allein im Wag en de s kleinen Bummelzugs, nur noch wenige Kilometer von Rothenau entfernt. Die Bahn hielt hier an jeder Ansammlung von Häusern, die kaum Dorf zu nennen war, und nach und nach waren all seine geschwätzigen Mitreisenden ringsum ausgestiegen. Eine ältere Frau mit Kopftuch und breitem Dialekt hatte ihm erzählt, dass es in Rothenau ein hübsches Schloss gab, das er sich unbedingt ansehen müsste. Sonst gäbe es da nur noch eine alte Kapelle. Der Ort lag mitten im Wald und war nicht mit dem Zug, nur mit dem Bus zu erreichen. Maxim hoffte inständig, dass an diesem Tag noch einer fahren würde, doch die Frau war zuversichtlich gewesen. Es war schon fast dunkel draußen, zarte Schneeflocken fielen vor den großen Scheiben, verwischt im Vorüberfahren. Die Landschaft war bezaubernd im weißen Wintergewand. Maxim war müde vom Geschuckel und Geruckel des Zuges. Er hatte sich die ganze Fahrt über nicht recht auf das Fachbuch konzentrieren können, das er sich durchzuarbeiten vorgenommen hatte. Es lag auf seinem Schoß, zusammengeklappt über seinem Zeigefinger, während er hinausblickte. Er hatte mehrmals umsteigen müssen und befand sich längst in einer Gegend, in der sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagten. Vermutlich buchstäblich, wenn er den tiefen, verträumten Laubwald ringsum so betrachtete. Und doch fühlte er sich eigenartig wohl in dieser einsamen Gegend. Er nahm das Buch wieder zur Hand, las ein paar Zeilen, strich etwas mit dem Bleistift an und legte es schließlich seufzend endgültig weg. Kurz darauf hielt der Zug ohne Ansage an dem winzigen Bahnhof, an dem er aussteigen musste. Maxim trat hinaus ins Schneegestöber und atmete erst einmal die unglaublich gute, frische Luft. Dann machte er sich auf die Suche nach der Bushaltestelle und stellte erleichtert auf dem Plan fest, dass schon in zwanzig Minuten ein Bus gehen würde. Bis dahin musste er sich wohl oder übel hier draußen gedulden.
    Unterwegs hatte er bereits im Gasthof angerufen und nach Dela gefragt, doch man hatte ihm nur sagen können, sie sei nicht auf dem Zimmer. Er hatte keine Nachricht hinterlassen. Immerhin hatte sie noch nicht ausgecheckt, was doch ein gutes Zeichen war. Er hatte die ganze Fahrt über überlegt, was er ihr sagen wollte. Er wusste es noch immer nicht genau. Er wusste auch nicht, weshalb er überhaupt in diese gottverlassene Gegend gefahren war. Wenn sie ihn hätte sehen wollen, wäre sie einfach zu ihm gekommen, anstatt ihm diese mysteriösen Briefe zu schreiben. Doch etwas in ihm sagte ihm, dass es wichtig war, Dela zu sehen. Dass noch etwas zwischen ihnen gesagt werden musste, etwas, das ihm erst klar werden würde, wenn er ihr gegenüberstand. Er marschierte ruhelos auf und ab, um warm zu bleiben, während der Schnee unter seinen Schritten knirschte. Endlich schnitten die Scheinwerfer des Busses durch die Dunkelheit, und hinein ging es in den tiefsten Spessartwald. Man konnte sich leicht vorstellen, wie früher die berüchtigten Räuber darin herumgeschlichen waren. Kleine, kurvenreiche Straßen, auf und ab, auf und ab. Der Busfahrer hatte ein Transistorradio angestellt und sang selbstvergessen mit, oder vielmehr schien er der Ansicht zu sein, er würde singen. Maxim hätte das nicht so bezeichnen wollen. Außer ihm befand sich nur noch ein Fahrgast im Bus, ein Jugendlicher, der auf der hintersten Sitzbank lümmelte. Zwei Ortschaften weiter waren sie endlich am Ziel. Maxim brauchte sich nicht nach dem Gasthof zu erkundigen. Es gab nur eine Straße, wenn auch eine recht lange. „Schlosshotel Rothenau“ nannte sich das gemütliche alte Sandsteinhaus, obwohl weit und breit das ominöse Schloss nicht in Sicht war. Vor dem Haus parkte ein einziges, kleines, rotes Auto, halb zugeschneit. Viele Gäste waren um diese Jahreszeit wohl nicht zu erwarten.

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