Café der Nacht (German Edition)
Noch bevor Maxim sich an der Rezeption eingetragen hatte, fragte er nach Dela. Man gab ihm ihre Zimmernummer. Nachdem er seinen Koffer in seinem eigenen Zimmer abgestellt und seinen Mantel ausgezogen hatte, machte er sich umgehend auf, um sie aufzusuchen.
* * *
Dela sagte erst einmal gar nichts, als sie auf Maxims Klopfen hin die Zimmertür öffnete und ihn vor sich stehen sah. Dann nahm sie ihn einfach in den Arm und drückte ihn fest. Maxim war voller Freude und Aufregung, sie nach all der Zeit wieder zu sehen. Sie war mit Anfang sechzig noch immer eine attraktive Frau. Ihre Ausstrahlung schien eher noch zugenommen zu haben. Sie trug ihr Haar nur noch schulterlang, das blond war fast völlig ergraut , doch es stand ihr gut. Sie bat ihn ohne Umschweife herein.
„Du scheinst nicht allzu erstaunt zu sein, mich zu sehen.“ Maxim lächelte. Er sah sich um und bemerkte einen Karton, der neben dem Bett stand, der Deckel nicht richtig geschlossen, als sei er rasch zugedeckt worden. Ein unausgefüllter Paketschein klebte darauf.
„Ich kenne doch meinen Gustav.“ Dela, die den Arm um Maxim gelegt hatte, als er eingetreten war, schmunzelte. „Und ich kenne dich. Ich hatte dich fast schon erwartet.“
Er sah sie voller Zuneigung an. „Liebe Dela. Es ist wunderbar, dich zu sehen.“
„Und dich, Maxim.“ Sie setzte sich aufs Bett, ihre Bewegungen elegant wie die einer jungen Frau. Er ließ sich auf dem einzigen Stuhl nieder.
„Na, ein wahres Schlosshotel ist das hier nicht gerade.“
Sie lächelte. „Da muss ich dir zustimmen. Die Matratzen sind etwas durchgelegen, aber das Essen ist überraschend gut.“
„Bist du schon öfter hier gewesen?“
„Nicht sehr oft. – Entschuldige, jetzt muss ich dich einfach fragen: Was wirst du tun, Maxim?“
Er sah sie an und lächelte leicht. „Ich habe allmählich das Gefühl, dass ich gar keine Wahl habe.“
„Oh, aber natürlich hast du die!“
„Dela, warum bist du nicht einfach zu mir gekommen? Warum die Briefe? Warum diese Geheimniskrämerei? So kenne ich dich gar nicht.“
„Zwanzig Jahre sind eine lange Zeit, mein Lieber. Wäre ich aus heiterem Himmel zu dir gekommen und hätte dir das Angebot gemacht, das Café der Nacht zu übernehmen, was hättest du wohl getan?“
Maxim lehnte sich zurück und verschränkte die Finger. „Ich denke, ich hätte ...“ Er zögerte und antwortete dann ehrlich. „Ich hätte wohl dankend abgelehnt.“
„Also, so nimm mir bitte meine kleine List nicht übel. Ich wusste, ich musste dich unbedingt zurücklocken, dir die Vergangenheit wieder näher bringen.“
Maxim nickte verstehend. So absurd das Ganze war, irgendwie machte es Sinn.
„Du warst so traurig damals, als ich das Café geschlossen habe.“
„Das waren wir alle, Dela.“
„Nicht so, wie du.“ Sie betrachtete ihn versonnen. „Ich hatte viele Schützlinge im Leben. Jeder brauchte etwas anderes. Die meisten ein wenig Hoffnung. Künstler sind verzweifelte Menschen. Aber du, Maxim. Als wir uns kennenlernten und du mir die Visitenkarte gezeigt hast, als wäre sie eine Eintrittskarte, war mir klar, dass es kein Job war, den du suchtest. Du brauchtest einen Platz im Leben.“ Maxim blickte sie schweigend an. Ihre Blicke trafen sich. „Hast du ihn gefunden, diesen Platz, Maxim?“
„Wenn du mich so fragst ... ich weiß nicht. Wirklich nicht. Die Jahre sind so schnell vergangen.“ Er machte nachdenklich eine Pause. „Aber als ich jetzt wieder vor dem Café stand ... Es war, als würde ich nachhause kommen.“ Er lächelte leicht. „Das hast du gewusst, nicht wahr? Dass es mir so gehen würde.“
„Ich gebe zu, ich habe es gehofft.“ Sie lachte weich. „Ach, Maxim. Hör auf, zu fragen, warum. Ich denke, tief im Herzen weißt du es.“
„Nein.“ Er schüttelte ernst den Kopf. „Ich habe das Café nicht verdient, Dela. Ich kann es nicht annehmen.“ Er stand unruhig auf und ging zum Fenster.
Dela sah ihn lange an, dann erhob sie sich ebenfalls und trat an seine Seite. Gemeinsam blickten sie hinaus auf die stille Straße.
„Wieso hast du mir dieses Foto hinlegen lassen, Dela? Das Foto von ihm, Ariel und mir?“
Sie antwortete nicht direkt. „Es hat keinen Sinn, etwas zu bereuen, sich an Dinge zu krallen, die man nicht ändern kann. Ich weiß, dass du dir die Schuld an allem gibst, aber das ist deine subjektive Wahrnehmung. Es entspricht nicht der Wahrheit, Maxim. Du willst die Wahrheit nicht sehen.“
„Nein, das Foto zeigt das schon ganz
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