Café der Nacht (German Edition)
Ihre Zeit“, entgegnete Maxim betont gelassen. Er verabschiedete sich und verließ den Raum mit einem unguten Gefühl und dem schalen Nachgeschmack dieses eigenartigen Gesprächs. Er wollte gar nicht wissen, mit welchen Praktiken Erasmus seinem widerspenstigen Sohn Disziplin hatte eintrichtern wollen. Das Schloss wirkte auf einmal dunkel und bedrohlich, wie eine Schattenfestung. Die Geister unbewältigter Vergangenheit schienen durch die langen Gänge zu huschen. Er wollte nur noch fort und zurück in sein eigenes Leben.
* * *
Am späten Nachmittag, zurück im Rothenauer Hotelzimmer, versank Maxim in Gedanken. Er hatte Monroe nach der Zeit im Café der Nacht nur noch ein einziges Mal wiedergesehen, ein letztes Mal, etwa sechs Monate vor dessen Tod. Es war Spätsommer gewesen und Maxim war wegen eines internationalen Theaterfestivals, bei dem er Gast war, in Paris. Das Hotel, ein riesiger, moderner Bau mit Fenstern, die sich in den oberen Etagen nicht öffnen ließen, bot als kleine Entschädigung für seine Durchschnittlichkeit einen phänomenalen Ausblick auf den Eiffelturm. Nichtsdestotrotz surrte eine Stubenfliege an der Scheibe, die sich irgendwie hierher verirrt haben musste. An der Zimmerwand das obligatorische Bild im Plastikrahmen. Monets Seerosen.
Maxim hatte vor seinem nachmittäglichen Treffen mit einem portugiesischen Theaterregisseur noch etwa eine Stunde Zeit und legte sich für ein paar Minuten hin, um zu entspannen. Die Tagesdecke auf dem Hotelbett roch nach billigem Weichspüler. Er schloss die Augen und versuchte angestrengt, nicht an seinen vollen Terminkalender zu denken. Einmal mehr fragte er sich, ob er zu viel arbeitete, ohne, dass er jemals ernsthaft in Betracht gezogen hätte, kürzerzutreten. Er brauchte seine Arbeit, weil er wusste, dass es in seinem Leben sonst nicht viel gab.
Maxim gab ein unwilliges Seufzen von sich, als es an der Zimmertür klopfte. Ächzend setzte er sich auf, schwang die Beine über den Bettrand und überlegte auf dem kurzen Weg zur Tür bereits, wie er denjenigen, der ihn da stören mochte, am schnellsten abwimmeln könnte. Doch als er öffnete, erstarrte er vollkommen. Für den Bruchteil einer Sekunde war er sicher, zu träumen. Vor ihm stand Monroe. Als sein Herzschlag wieder einsetzte, tat er das mit nahezu gefährlicher Schnelligkeit. Maxim konnte gar nichts sagen. Er war viel zu baff.
„Hey, Max.“ Ohne auf eine Einladung zu warten, trat Monroe an ihm vorbei ins Zimmer. Maxim folgte ihm mit den Augen und schloss geistesabwesend die Tür hinter ihm.
Dean Monroe. Inzwischen war er etablierter Filmstar und eine Ikone wider Willen. Die Boulevardpresse verdankte ihm beachtliche Umsätze, denn er war immer für eine Story gut. Ob er nun auf einen Verkehrspolizisten losging, lieber mit Freunden feierte, als seinenFilmpremieren beizuwohnen, oder einmal mehr zum Alkoholentzug in eine Klinik abtauchte - bei jedem Schritt waren die Paparazzi dabei. Es war ein öffentliches Leben ohne ein Recht auf Privatsphäre. Gerade weil er sich so vehement dagegen wehrte, kaum Interviews gab und sich abzuschotten versuchte, war jeder Schnappschuss von ihm bares Geld wert.
Und nun stand Monroe einfach vor ihm, wie selbstverständlich. Jeans, schlichtes, leicht knittriges T-Shirt. Ganz er selbst und doch seltsam fremd. Er wirkte noch schlanker, als in den Filmen. Drahtig, zäh, mehr noch als früher. Seine Wangenknochen waren akzentuierter, das Gesicht ausgeprägt charaktervoll. Man sah ihm seine exzessive Vergangenheit an. Und dennoch, er sah immer noch verdammt gut aus. So schön, auf diese raue, verwegene Art. Fast unwirklich schön.
Nachdem der erste Schock verflogen war, wurde Maxim bewusst, dass er Monroe die ganze Zeit schon anstarrte, seinen Blick über seinen ganzen Körper wandern ließ. A uch Monroe musterte Maxim ausgiebig, unverhohlen.
„Ich fasse es nicht“, bemerkte Maxim schließlich. Monroe öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, doch er ließ ihm keine Gelegenheit. „Ich fasse es nicht, dass du den Nerv hast, hier aufzukreuzen!“
„Wow. Das nenne ich Wiedersehensfreude.“
Maxim verschränkte die Arme vor der Brust. „Was in Gottes Namen hast du erwartet?“ Er wusste selbst nicht, woher sein plötzlicher, tiefer Zorn kam. Als hätte er ihn unbewusst all die Zeit mit sich herum getragen, stets im Hintergrund, nur auf die eine Gelegenheit wartend, hervorbrechen zu können. Die Worte kamen wie von selber, unaufhaltsam. „Dreizehn Jahre lang
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