Café der Nacht (German Edition)
seinen Freunden so gut auskennen“, erwiderte er, nicht ohne herausfordernden Unterton.
Der Graf lächelte dünn und wies auf einen der beiden Ledersessel vor dem Kamin. „Setzen Sie sich.“
Maxim tat dies und machte sich halb auf ein scharfes Verhör gefasst, das denn auch prompt folgte.
„Wie viel verlangen Sie?“
„Ich verstehe nicht.“
„Um über Augustins Herkunft Stillschweigen zu bewahren. Deshalb sind Sie doch hier.“
Maxim musste lächeln. „Sehen Sie, da hätte ich eine Menge Geld machen können, und der Gedanke ist mir nicht einmal gekommen.“
„Was möchten Sie dann?“
„Nichts. Ich wollte lediglich das Grab besuchen. Dabei habe ich Ihre reizende Tochter kennengelernt.“
„Möchten Sie sie heiraten?“
„Das würde ich zweifelsohne , wenn ich nicht schwul wäre.“
Zum ersten Mal lächelte der Graf wirklich, wenn auch nur flüchtig. Er setzte sich in den anderen Sessel und betrachtete seinen Gast mit kühlen Augen, die von vertrautem hellen Grün waren, wie Maxim bemerkte. „Woher wissen Sie von Augustins Herkunft? Ich nehme an, er hat es Ihnen erzählt?“, fragte er, nun etwas umgänglicher.
„Nein, ich habe es von Dela Morgan erfahren.“
„Natürlich.“ Der Graf schien die Antwort zu missbilligen, hielt sich aber mit einer entsprechenden Bemerkung zurück. Sie musterten sich einen Moment lang gegenseitig.
Maxim hielt dem kühlen Blick selbstbewusst stand. „Was hat Dela mit all den Andenken an Ihren Sohn vor?“
„Ich glaube nicht, dass Sie das etwas angeht. Sie scheinen mir ohnehin schon ein wenig zu viel über unsere Privatangelegenheiten zu wissen.“
„Haben Sie sie überhaupt danach gefragt? Oder waren Sie zu froh, die Sachen loszuwerden?“
Der Graf lehnte sich im Sessel zurück und betrachtete Maxim unverwandt. „Ich mache Ihnen keinen Vorwurf daraus, dass Sie keine hohe Meinung von mir haben, junger Mann. Man hat Ihnen zweifelsohne ein verzerrtes Bild von mir gemalt.“
„Nun, belehren Sie mich eines Besseren.“ Maxim lächelte. Die Stimmung im Raum wurde versöhnlicher. Das Prasseln und Knacken des Feuers milderte die Stille. Vom Kamin her strömte angenehme, dichte Wärme. Erasmus blickte gedankenverloren in die Flammen.
„Niemand kann verstehen, wie es für einen Vater ist, sein eigenes Kind zu begraben“, gab er dann unerwartet preis. Im Feuerschein huschte ein fahler Schatten von Zerbrochenheit über sein Gesicht.
„Das Grab liegt sehr versteckt.“
„Was glauben Sie, was los wäre, wenn es sich auf einem öffentlichen Friedhof befände? Wir wollten keine Pilgerstätte für Vandalen auf dem Père Lachaise“, erwiderte der Graf, anspielend auf das Pariser Grab Jim Morrisons. Unversehens kehrte der strenge Zug um seinen Mund zurück. „Wenn er dort auch wahrlich unter seinesgleichen wäre.“
„Seinesgleichen?“, bemerkte Maxim mit leisem Schmunzeln.
„Mein Freund, ich bin nic ht von vorgestern. Ich weiß über das Leben meines Sohnes wohl Bescheid. Sein schlechter Umgang, Alkohol, Drogen, Exzesse ...“
„Er war trocken, völlig clean. Er hatte mit all dem abgeschlossen.“
„Und das haben Sie ihm geglaubt?“ Erasmus lächelte kühl.
„Er hat mir nie Grund gegeben, es nicht zu tun. Man konnte viel von ihm sagen, aber nie, dass er unehrlich war.“
Der Graf nickte vage. „Unehrlich vielleicht nicht, aber verdorben. Er hatte Sie um den Finger gewickelt. Das konnte er wahrlich gut. Was immer Sie über Augustin zu wissen glauben, ich kann Ihnen garantieren, es ist nicht die volle Wahrheit.“
„Also gut, was ist die volle Wahrheit?“
Der Graf schnaubte nur leise. „Es war längst nichts mehr zu machen, als er damals zu uns kam. Sie hatte ihn bereits vollkommen verdorben. Gott weiß, wir haben es versucht. Doch wie hat er es uns gedankt? Er zerstörte Familieneigentum, er widersetzte sich jedem Versuch, ihm Anstand und Disziplin beizubringen.“
„Er war noch ein Kind. Ein schwer traumatisiertes Kind. Und Sie, Herr von Rothenau, waren meines Wissens nach nicht ganz schuldlos daran, dass es überhaupt dazu gekommen ist.“
Damit schien Maxim einen wunden Punkt getroffen zu haben. Der alte Mann starrte ihn mit seinen ausdrucksstarken Augen an, in denen plötzlich ein derart dunkler Zorn aufloderte, dass er fast befürchtete, ihm drohe eine Tracht Prügel. Doch der Graf bewahrte mühsam Contenance. Er erhob sich steif. „Mein lieber junger Freund, ich denke, es ist Zeit für Sie, zu gehen.“
„Ich danke Ihnen für
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