Café der Nacht (German Edition)
anderswo die Köpfe einschlagen.“
„Aber die werden sich noch umbringen!“
Wie, um seine Worte zu unterstreichen, stürzten einige Gläser vom Tisch und zerschellten splitternd auf dem Steinboden. Unwillkürlich kam Maxim hinter der Bar hervor. Am liebsten wollte er die noch verbliebenen Trinkgefäße vor demselben Schicksal bewahren. Mittlerweile hatten Anders und Toblerone beide Kontrahenten auseinandergezerrt. Kristians fluchte und zeterte wie ein tollwütiger Gnom. Sein rechtes Auge begann zuzuschwellen, Monroe hatte eine blutige Lippe. Alles in allem waren beide noch glimpflich davongekommen.
„Was gibt’s da so blöd zu glotzen, Meinig?“
Unversehens fand Maxim sich Monroe gegenüber, der sich aus Anders’ Griff befreit hatte und ein paar Schritte zurückgetreten war. In seinen Augen flackerte unberechenbarer Zorn. Maxim starrte ihn erschreckt an, als sofort Rufus neben ihn trat, der Monroe um gut einen Kopf überragte.
„Jetzt komm mal wieder runter, Alter! Lass Maxim in Ruhe, er hat nichts damit zu tun.“
Monroe wandte sich tatsächlich wieder zu den Revoschizionären um. Von einem Augenblick zum nächsten schien sein Zorn zu verrauchen, als hätte man eine Kerzenflamme mit den Fingern erstickt. Eine kurze Stille folgte. Alle sahen ihn abwartend an. Er breitete ungeduldig die Arme aus. „Was wollt ihr? Meinen Segen? Das müsst ihr schon selbst entscheiden. Wenn ihr das unbedingt wollt, dann macht es verdammt noch mal auch. Nur macht es ohne mich.“ Er wandte sich um und verließ das Gewölbe so gemächlich, wie er gekommen war. Die anderen blieben mit mehr oder weniger ratlosen Mienen zurück.
„Na dann“, meinte Rufus unbeeindruckt und schaute gutgelaunt in die Runde. „Wer will noch was trinken?“
* * *
Es war kurz vor zehn Uhr am Morgen darauf, Ruhetag. Draußen vor dem Caféfenster plätscherte lustloser Regen von einem missmutig grauen Himmel herab. Schabernack saß auf der Theke und putzte sich hingebungsvoll das pechschwarze Gefieder.
„Gefällt dir das Leben hier?“, fragte Maxim halbherzig den Vogel, während er von einer Brezel vom Vortag das Salz abfieselte.
Das eigentümliche Federvieh hielt inne und betrachtete ihn eingehend aus seinem gesunden, nachtschwarzen Auge. „Leben?“, wiederholte es dann heiser, und schickte ein lautes Krächzen hinterher, das sich fast wie ein ironisches Lachen anhörte. „Schabernack!“
Maxim musste schmunzeln. Manchmal hätte man den Vogel fast für einen Philosophen halten können. Donna rumorte in der Küche, etwas Blechernes fiel scheppernd zu Boden, und sie fluchte ungehalten.
Maxim zuckte zusammen, als es von draußen laut gegen das Fenster neben dem Eingang klopfte. Jeudi winkte ihm ungeduldig zu. Er erhob sich und eilte zur Haustür, um ihr aufzuschließen. Feuchte, kühle Luft zog in den menschenleeren Gastraum und trug den Geruch von nassem Asphalt herein. Anstelle einer Begrüßung nieste die dunkelhaarige Kabarettistin mehrmals und schüttelte große Tropfen von ihrem schicken Schirmchen. „How I hate this Mistwetter!“ Sie war gekommen, um das Kätzchen, mit dem sie sich gut verstand, zur gemeinsamen Shoppingtour abzuholen. Jeudi setzte sich zu Maxim, um auf ihre notorisch unpünktliche Freundin zu warten.
„Wie ist es ausgegangen?“, fragte er schließlich behutsam. „Habt ihr euch entschieden wegen dem Fernsehen?“
Jeudi betrachtete leicht gelangweilt ihre sorgsam lackierten Fingernägel. „Da gibt’s nicht viel zu entscheiden, Sweetie. Am Ende ist es wichtiger, stolz auf das sein zu können, was man tut, n'est-ce pas?“
„Ja, wahrscheinlich.“
„Das Wertvollste, was ein Künstler besitzt, is their integrity .“
„Aber davon wird man nicht satt.“
„Ah, c'est vrai. It's very tragic.“ Sie zog unbekümmert ein zerknülltes Stofftaschentuch aus der Hosentasche und schnäuzte sich trompetend. „But berühmt sein zu wollen – oh well. Letzten Endes it's all just Sehnsucht nach Liebe, isn't it?“ Sie zwinkerte ihm leichthin zu und erhob sich, denn das Kätzchen bequemte sich endlich ausgehfertig die Treppe herunter. Maxim sah den beiden Freundinnen nachdenklich nach, die Arm in Arm durch die Haustür traten, sich unter Jeudis Schirm zusammendrängten und sich hinaus in den freien Tag stürzten.
* * *
Vorbei das Einerlei der regengrauen Tage, der vergnügte April hatte Einzug gehalten. Schlehenbüsche sprudelten über vor weißen Blüten, honigsüß duftend. Das kräftige Gelb der
Weitere Kostenlose Bücher